Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
Garraí Tag für Tag vor Augen zu haben. Und die Scherben ihrer Liebe.
Sie versuchte , in seinem Gesicht zu lesen, stellte dann trotzdem die Frage: „Warum tust du das, Ray?“
„Weil ich dich liebe“, platzte er heraus , ohne eine Sekunde mit seiner Antwort zu zögern, und es klang regelrecht verwundert, dass sie danach fragen musste, wo es doch offensichtlich war, was er für sie empfand.
„ Alicia, ich wäre überglücklich, wenn du meine Frau werden würdest.“
Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Unterkiefer nach unten klappte, und auch der heisere Aufschrei ließ sich nicht unterdrücken, der einerseits von ihrer Überraschung und andererseits von den Alarmglocken herrührte, die in ihr dröhnten. Sie wollte etwas sagen, weil ihr klar war, dass sie jetzt unbedingt etwas darauf erwidern musste. Ihr fiel nichts ein. Sie konnte Raymon lediglich anstarren und langsam kam ihr die Erkenntnis, dass er ihr nicht aus einem Impuls heraus einen Antrag gemacht hatte. Wie sie ihn kannte, hatte er lange und gründlich darüber nachgedacht.
„Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Ja“, schlug er mit einem unsicheren Lachen vor.
„Das kommt etwas überraschend.“
Was natürlich völliger Blödsinn war, da sie den Arzt lange genug und viel zu gut kannte, um nicht jeden Moment damit gerechnet zu haben. Sein Geständnis zerriss ihr das Herz. Sie spürte, wie die Tränen ihren Blick verschleierten, und wandte sich hastig ab.
Und er wusste, dass er verloren hatte.
Nun, zumindest konnte er sich damit trösten, gegen einen Grafen den Kürzeren gezogen zu haben. Manuel Clausing war ungeachtet seiner Behinderung ein gut aussehender Mann. Ein sehr großzügiger noch dazu, dem obendrein ein Hauch des Geheimnisvollen und Gefährlichen anhing. Offenbar hatte er dieses gewisse Etwas – was immer das sein mochte –, das Frauen unwiderstehlich anzog. Weshalb sollte Alicia auf ihn anders reagieren als all die anderen? Und der Graf machte ganz den Eindruck, als würde er immer bekommen, was er wollte. Wenn es ihm nicht freiwillig überlassen wurde, nahm er es sich eben kraft seines Titels.
Ray straffte die Schultern und gab sich einen Ruck, um seine Enttäuschung nicht zu zeigen. Er hatte sich nie ernsthaft der Illusion hingegeben, sie würden zusammenbleiben und eine Familie gründen.
Oder doch?
„Ich danke dir, Ray. Deine Großzügigkeit macht mich ganz sprachlos. Trotzdem … es wäre einfach nicht richtig.“
„Das hat nicht das Geringste mit Großzügigkeit zu tun.“ Erstaunt zog er eine Braue hoch. „Ich werde meinen Antrag nicht zurücknehmen. Lass dir alles in Ruhe durch den Kopf gehen. Eine solche Entscheidung sollte man nicht überstürzt treffen und ich kann warten. Um ehrlich zu sein, ich warte bereits seit acht Jahren. Und egal, wie du dich entscheiden wirst, ich werde mein Leben lang für dich da sein. Als dein Freund. Oder mehr.“
„ Verzeih mir, Ray, aber ich liebe dich nicht in dem Maße, wie du es verdienst. Wir würden auf Dauer nicht glücklich sein mit dieser Lösung.“
„Könntest du mich nicht wenigstens … mögen?“
„Oh, Ray, Lieber, selbstverständlich mag ich dich! Ich liebe dich … wie eine Schwester ihren Bruder liebt. Wir haben schon so viele Erlebnisse miteinander geteilt. Ich vertraue dir, wie ich es nie zuvor konnte. Du hörst mir zu, wenn ich Probleme habe, und bist zur Stelle, wann immer ich Hilfe benötige.“
„Nicht, dass es bisher öfter als einmal vorgekommen wäre.“
„ Siehst du, du bringst mich selbst dann zum Lachen, wenn mir ganz und gar nicht danach ist. Du bist mein bester Freund und ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.“
„ Dein Freund. Gut, dann werde ich damit zufrieden sein.“
Das wäre er wirklich, wie er erkannte, o bwohl ein Teil von ihm – der Teil, der nicht wusste, wann er aufgeben musste – nach wie vor auf mehr als bloße Freundschaft hoffte. Für den Augenblick allerdings würde ihm genügen, was sie ihm gab.
Musste er, ein einfacher Landarzt, sie auch unbedingt lieben? Abgesehen davon lief es perfekt zwischen ihnen. Sie mochte ihn und er war und blieb in alle Zukunft ihr bester Freund. Er unterdrückte einen Seufzer. Das tat weh. Gab es etwas Ernüchterndes als jemanden zu lieben, der einen lediglich mochte ?
Sie bot ein Bild der Zufriedenheit. In ihrem bunten Kleid inmitten des frischen Grüns erinnerte sie ihn an eine duftende Frühlingswiese. Sie summte leise vor sich
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