Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
halbe Ewigkeit. Ich weiß, wovon ich spreche. So schnell kann sich kein Fahrensmann auf das Landleben umstellen.“
„ Vorausgesetzt, er will es wirklich. Bei Manuel liegt die Sache anders als bei Matthias. Er ist unfreiwillig abgestiegen. Es ist bloß eine Frage der Zeit, bis es ihn wieder hinaus zieht. Würde ich jetzt bleiben, würden wir eine Trennung lediglich verzögern. Er ist einfach noch nicht soweit.“
„Und wieso erzählt er überall ganz stolz herum, er würde heiraten?“
„Er will mich heiraten, weil er denkt, dass er es tun muss. Das kann ich nicht zulassen. Ich will auf keinen Fall aus Pflichtgefühl heraus geheiratet werden.“
„Warum?“
„Weil ich ihn liebe.“
„Und du bist sicher, dass er nichts für dich empfindet? Nichts tiefer Gehendes? Lediglich Pflichtgefühl? Zugegeben, er hat sich sehr verändert während der letzten zehn Jahre. Doch ebenso hat er sich in der kurzen Zeit seit seiner Ankunft auf Sean Garraí verändert.“
„Er liebt mich nicht und deswegen will ich ihn nicht in einer unfreiwillig eingegangenen Ehe unglücklich sehen.“
„Wenn er dich nicht lieben würde, wenn du ihm gleichgültig wärst, dann hätte er nicht so viele dumme Fehler gemacht “, erwiderte Suse inzwischen mit einem leicht genervten Unterton in der Stimme. „Vielleicht weiß er bloß nicht, wie er es dir sagen soll. Gefühle zu zeigen, ist nicht einfach – darüber zu reden, beinahe unmöglich für einen Mann.“
Suse lachte auf, doch Alicia bemerkte, wie verzweifelt auch sie gegen die Tränen ankämpfte. „Absolut unmöglich für Adrians ältesten Sohn! Schon als Kind hat Manuel nur um wenig gebeten und noch weniger erwartet. Er wollte immer alles alleine regeln, ohne Hilfe, die ihn genötigt hätte, ‚Danke’ zu sagen. Und obendrein hatte er Angst, etwas für sich selber zu wollen – weil er stets befürchtete, es wieder zu verlieren.“
Als Suse weitersprach, zitterte ihre Stimme. „Was meinst du eigentlich, was Liebe ist? Adrian und ich waren fast zehn Jahre zusammen, aber stell dir vor, dieser starrsinnige, irische Esel hat nicht ein einziges Mal gesagt, dass er mich liebt. Dennoch verging in all den Jahren kein Tag, an dem er nicht meine Hand ergriffen oder mich in den Arm genommen hat. Kein Tag, an dem er versäumt hätte, mir nach dem Aufwachen einen Kuss zu geben. Oder ehe er zur Arbeit ging, vor dem Schlafengehen. Liebe zeigt sich nicht in lauten Fanfarenklängen und weißen Tauben, die in den Himmel steigen, sondern in einer Tasse Kaffee, die man am Morgen gemeinsam trinkt, oder einem Glas uisce beathe te an einem kalten Winterabend. Daran, dass er bei dir ist in all den tausend kleinen Augenblicken, die ein Leben ausmachen. Du erkennst die Liebe im Blick deines Mannes, wenn du ihm sein erstes, zweites, drittes Kind in die Arme legst, in dem Schmerz in deinem Herz, wenn du das Licht in seinen Augen erlöschen siehst und weißt, dass ein Teil von dir zusammen mit ihm von dieser Welt gegangen ist.“
„Oh, Suse, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mir wünsche, dass ich genau diese Worte einmal zu meinem Kind sagen kann.“ Alicia seufzte und strich sich über den flachen Bauch. „Aber Manuel vertraut mir nicht. Und ohne Vertrauen kann es keine Liebe und eine Zukunft für uns geben.“
„Nein, Ali, er vertraut sich selbst nicht. Wenngleich er aus einem völlig anderen Grund nach Hause gekommen ist, inzwischen weiß er, dass hier seine Zukunft liegt.“
„ Das bleibt abzuwarten. Lassen wir uns allen einfach etwas Zeit zum Luftholen. Kommt Zeit, kommt Rat, nicht wahr? Und mein Ticket nach Hause ist bezahlt. Wäre doch schade drum.“
„Du bist uns immer willkommen. Immer und zu jeder Zeit, hörst du? So wie bisher. Es wird sich nichts ändern zwischen uns, bloß weil du meinem Sohn, diesem irischen Dickschädel, einen Korb gegeben hast. Vergiss das nie. Du bist mir …“, und jetzt begann Susanne trotz des festen Willens, nicht sentimental zu werden, die Nase zu tropfen wie ein kaputter Wasserhahn, „du bist meine Tochter und heute, mit meinem Enkel in deinem Bauch, will ich dich noch weniger als zuvor gehen lassen. Es ist so ungerecht“, schniefte sie und streckte die Hand aus, damit ihr Alicia mit einem Küchentuch aushalf. „Ich hasse es, wenn du gehst! Jedes Mal!“
„Oh, Suse, ich gehe doch nicht verloren. Außerdem kannst du mich jederzeit besuchen. Ihr alle! Und falls du es einrichten kannst … Es wäre schön, wenn du bei mir sein könntest.
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