Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)
die nächsten Tage habe ich schon andere Pläne. Muss das derzeit ruhige Wetter nutzen, bevor es nächste Woche Sturm geben soll.“
Manuel verzog keine Miene zu Eans offener Zurückweisung seiner Hilfe oHilfeHilHHilfe . Alicia dagegen, selbst eine Meisterin im Unterdrücken von Emotionen, ließ sich nicht täuschen. Sie musterte eingehend sein markantes, kluges Gesicht, das wie eine der griechischen Statuen wirkte, wunderschön zwar, doch kalt und hart. Wie immer umgab er sich mit Unnahbarkeit wie mit einem Schild, entschlossen, weder auf Fragen, Ablehnung oder Verwunderung einzugehen. Er würde alles wie eine Welle über sich hinweg spülen lassen, ohne dass man ihm etwas anmerkte, mit gereckten Schultern und undurchdringlicher Miene.
Gleichgültigkeit. Das war der einzige Weg zu überleben
Die angespannte Atmosphäre bei Tisch hatte Manuel veranlasst, sich mit Müdigkeit nach dem ereignisreichen Tag zu entschuldigen. Niemand nahm ihm den zeitigen Aufbruch übel oder hielt ihn gar auf, um noch etwas mit ihm zu plaudern. Seine mam würde ihm vermutlich die Ausrede abnehmen, die Fahrt hätte ihn angestrengt und er würde Ruhe brauchen. Damien und Ean hatten keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen ihn gemacht und von Lisa wollte er nicht erwarten, eine andere Meinung als ihr Ehemann zu haben. Éamonn Gallagher hatte sich von jeher aus sämtlichen familiären Zwistigkeiten herausgehalten und wie er Fearghais und Áine kannte, würden die sich ebenfalls kaum einmischen.
Lediglich Alicia, die fremde Schöne, stand ungeachtet seines Rufes auf seiner Seite. Zumindest hatte es diesen Anschein, wenngleich ihm bewusst war, dass der Schein oftmals trog. Aus einem unerfindlichen Grund wünschte er sich, sie möge ihn nicht enttäuschen und es ehrlich meinen mit ihrer Freundlichkeit.
Vom Fenster seines Zimmers aus beobachtete er, wie sich Ean von seinem Bruder und dessen Frau verabschiedete. Arm in Arm spazierten Fearghais und Áine den Kiesweg zu ihrem Häuschen hinab, während Ean seinen Jeep startete und ins Dorf fuhr. Noel und Éamonn drehten gemeinsam ihre allabendliche Runde über die Koppel und durch die Ställe, um sich davon zu überzeugen, dass die Pferde gut versorgt waren.
Manuels sehnsüchtiger Blick glitt über die Reitställe, Scheunen und Schuppen, die alle fein säuberlich in einem strahlenden Weiß gestrichen waren. Auch die Zäune waren weiß und in perfektem Zustand. Die Weiden, Pferche und Koppeln wirkten gepflegt wie der Park eines Kurortes. Er entdeckte nichts, was nicht auf beste Qualität, viel Mühe und Arbeit hindeutete. Wer hier arbeitete, liebte es – das Land mitsamt den Menschen und Tieren, die darauf lebten.
In diese r Sekunde sank die Sonne auf den Horizont und tauchte den Zauberhügel von Sean Garraí in ein rotes Meer. Zauberhügel, Manuel lachte freudlos, so hatten seine mam und Matthias den Hang mit dem Steinkreis auf dem Plateau genannt. Dabei hatte er selber nie etwas Zauberhaftes daran finden können.
Friedliche Stille legte sich wie eine schützende Decke über Sean Garraí . Manuel indes fand keine Ruhe. Rastlos wanderte er durch das geräumige Zimmer, welches er bereits als Kind bewohnt hatte. Niemand hatte es während seiner Abwesenheit genutzt, nichts hatten sie verändert, nichtsdestotrotz fühlte er sich wie ein Fremder.
Er stieg in seine Hose und zog sich fröstelnd einen Pullover über den nackten Oberkörper. Dann trat er hinaus auf die Galerie, die still und verlassen im Halbdunkel lag. Unschlüssig blickte er sich um, als müsste er sich an einem fremden Ort orientieren, ehe er den Nachtlichtern im Boden hinab in die Halle folgte. Die Entscheidung, ob er zuerst in die Küche und anschließend in die Bibliothek gehen sollte, wurde ihm von einem Lichtstrahl unter der Tür zur Bibliothek abgenommen.
Langsam trat er näher. Ob Damien noch arbeitete? Vielleicht sollte er die Gelegenheit gleich beim Schopf packen, in Ruhe mit ihm ein klärendes Gespräch zu führen. Unangenehme Dinge wollte er nicht mehr unnötig vor sich her schieben. Zumindest diese Lektion hatte er nach seiner Flucht aus Killenymore vor zehn Jahren gelernt.
„Kannst du nicht schlafen?“
Mit einem leisen Aufschrei wirbelte er herum und stolperte über seine Füße. Verdammt, sollte ihm das jetzt zur Gewohnheit werden?
„Ich … ich dachte, ich könnte …“
Alicia hielt ihn sanft am Arm fest und spürte, wie er bei ihrer Berührung zusammenzuckte. „… auch noch einen Schlaftrunk
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