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Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt)

Titel: Der Erbe von Sean Garraí (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Krümel Toast aus dem Gesicht und winkte den anderen zu. „Ich komme mit. Ean wird schon auf mich warten.“
    Sie vermied aus gutem Grund, Susanne bei diesen Worten anzusehen.
     
    Tatsächlich stand Ean bereits gestiefelt und gespornt mit An draíocht und Méaracán , einem hübschen Wallach mit schwarzbraunem Fell und Blesse, vor den Ställen. Obwohl sie vom Haus aus weder gesehen noch gehört werden konnten, hielt sich Alicia mit ihren Neuigkeiten zurück, bis sie freies Feld erreichten. Eine ganze Weile trabten sie schweigend nebeneinander über die taufeuchten Wiesen und genossen die Ruhe und Unberührtheit des Morgens, was man von An draíocht nicht unbedingt behaupten konnte. Der gefiel es nicht im Mindesten, wenn jemand – ein Wallach obendrein! – mit ihr gleichauf war, sodass Ean alle Mühe hatte, sie in Schach zu halten.
    „ Kanntest du Máirtín Callaghan persönlich?“
    „ Selbstverständlich. Wir haben die gleiche Schule besucht und zusammen Hurling gespielt. Das letzte Mal habe ich ihn um Beltane gesehen, bevor Mat und Suse diesen Unfall auf Kerry hatten. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es war, der Suse damals mit Callaghan bekannt gemacht hat – in einem Pub. Er hat einen Trinkspruch vor ihrem ersten Glas Poiteen ausgebracht.“ Er lächelte mit einem leichten Kopfschütteln. „Das Theater, das sie darum veranstaltet hat, werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Máirtíns Bruder Gearóid war Tänzer am Theater in Tralee, wo sie ihn nach einer Aufführung kennengelernt hat.“
    „ In Tralee ist der Ältere der Callaghans auch behördlich gemeldet. Er arbeitet nach wie vor im Siamsa tíre , inzwischen ist er Choreograf. Von Máirtín dagegen fehlt seit zwanzig Jahren jede Spur. Als Gearóid im Zusammenhang mit Suses Unfall und dem Tod seiner Schwester befragt wurde, gab er an, nichts über Máirtíns Aufenthaltsort zu wissen. Er hatte angeblich keine Ahnung davon, dass die Wohnung in Cavan ordnungsgemäß gekündigt und leer geräumt war, genau wie der Arbeitsplatz seines Bruders. Ich habe seine sämtlichen Versicherungen durchforstet, Unterlagen zu Telefonanschluss, Krankenkasse, Fitness-Club, pipapo. Die Kündigungsschreiben waren alle von Máirtín unterzeichnet. Sein Konto hatte er aufgelöst, doch mit den paar Kröten darauf wäre er nicht weit gekommen, wenn er sich hätte absetzen wollen. Nirgends war eine Nachsendeadresse angegeben. Máirtín ist wie vom Erdboden verschluckt.“
    „ Er will nicht gefunden werden. Und das kommt einem Schuldeingeständnis gleich! Es konnte ihm nicht nachgewiesen werden, aber ich bin überzeugt, dass er den Unfall von Suse und Mat provoziert hat. Genau wie er den Mord an Suse geplant hat.“
    „Hattest du jemals irgendwelchen trouble mit den Callaghans?“
    „Ich habe mir seit Betty Janes Unfall dieselbe Frage schon hundertmal gestellt. Die garda übrigens ebenfalls. Aber nein, mir ist bis heute nichts eingefallen. Wirklich nichts, was einen derartigen Racheakt rechtfertigen würde – wenn es überhaupt jemals einen vernünftigen Grund für einen Mord oder Totschlag geben sollte. Von den beiden Callaghans war nie einer an Betty Jane interessiert gewesen. Sie lagen nicht mit ihrer Familie im Streit. Da gibt es einfach nichts. Der Einzige, der echten Ärger mit Máirtín hatte, war Mat. Wegen der Geschichte mit Úna, der Schwester der Callaghans, die eine Zeitlang auf Sean Garraí gearbeitet hat.“
    „Ich w erde mir Gearóid noch einmal genauer ansehen. Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass er nichts über seinen Bruder weiß. Ist Gearóid eigentlich verheiratet?“
    Weil Ean auch nach einer Minute nicht antwortete, wandte sie ihm das Gesicht zu und sah zwei rote Flecken auf seinen Wangen erblühen. Fragend zog sie die Augenbrauen in die Höhe und erkundigte sich mit Grabesstimme: „Ean, was ist? Soll diese verbale Nichtantwort etwa genau das bedeuten, was deine Gesichtsfarbe mir verrät?“
    Er zuckte vage mit der Schulter und machte sich mit durchschaubarer Aufmerksamkeit am Zaumzeug von An draíocht zu schaffen, die sich mittlerweile in ihr Schicksal gefügt hatte und brav neben Méaracán her trottete.
    In einem Land, in dem klare Antworten allgemein als Mangel an Fantasie angesehen w urden, hatten die Ó Briains die Ausweichtaktik zu einer Kunstform perfektioniert. Auf der einen Seite hatte Alicia den Eindruck, ihre Gedächtnisse hätten Speicher wie eine Datenbank, auf der anderen Seite gaben sie vor, absolut vergesslich zu

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