Der Erdbeerpfluecker
unzählige Hinweise aus der Bevölkerung«, sagte er vorsichtig, »und wir verfolgen jede Spur.« Er hob die Schultern. »Bis jetzt hat sich jedoch keine dieser Spuren als heiß erwiesen.«
»Ich habe Caros Gedichte gelesen«, sagte Imke Thalheim.
Bert fragte sich, warum ihn das überraschte. Es war müßig zu fragen, wie sie an die Texte herangekommen war.
»Das Mädchen hatte eine immense Begabung. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen. Ich schätze, Sie haben die Gedichte auch gelesen?«
Bert nickte.
»Sie hat die Aussagen gekonnt verschlüsselt.«
Bert nickte wieder. »In ihren Gedichten müssen Hinweise auf diesen Mann sein, mit dem sie zuletzt zusammen war.«
»Sie gehen davon aus, dass er der Mörder ist?«, fragte Bert.
»Ja. Weil Caros Gedichte eine sehr dunkle, gefährliche Liebe beschreiben.«
Ist diese Art von Liebe nicht die einzig wahre?, dachte Bert. Ist alles andere nicht bloßes Geplänkel?
Sie sah ihn prüfend an, und er hatte das Gefühl, als hätte sie seine Gedanken erraten. Peinlich berührt wich er ihrem Blick aus.
»Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass sie in Mord endet«, sagte er und kam sich unaufrichtig vor. Hatten ihn seine ßberlegungen nicht in dieselbe Richtung geführt?
»Mir wird ganz schlecht bei der Vorstellung, dass dieser Mann sich unbemerkt in der Nähe der Mädchen aufhalten könnte«, sagte Imke Thalheim. »Und bevor seine Identität nicht bekannt ist, lässt sich nicht ausschließen, dass er der Mörder ist.«
»Er ist wie ein Phantom«, sagte Bert. »Ich habe Caros Tagebuch studiert, aber da ist kein brauchbarer Hinweis auf diesen Mann. Nichts. Gar nichts. Es ist zum Verzweifeln. Es kann doch nicht sein, dass ein Mensch überhaupt keine Spuren im Leben eines anderen hinterlässt.«
»Vor allem dann nicht, wenn diese Menschen sich lieben.« Imke Thalheim lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Glauben Sie, dass Jette und Merle sich in Gefahr befinden?«
Er hatte schon bemerkt, dass ihre Taktik darin bestand, das Gegenüber in Sicherheit zu wiegen und dann ganz unvermittelt eine verfängliche Frage zu stellen. Deshalb war er gewappnet.
»Nicht unmittelbar«, sagte er.
»Das lässt meiner Phantasie ausreichend Spielraum.« Sie kniff die Augen zusammen. »Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, wie es ist, wenn man seinem Kind dabei zusieht, wie es auf den Abgrund zuläuft, ohne ihm helfen zu können?«
»Schicken Sie die Mädchen weg«, sagte er. »Es sind doch Ferien.«
»Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen.«
»Ich möchte nur wissen, wo sie sich aufhalten«, sagte Bert. »Es können noch Fragen auftauchen.«
»Die Mädchen lehnen es ab zu verreisen. Das ist das Problem. Und da habe ich an Sie gedacht. Würden Sie noch einmal mit ihnen reden und sie ein bisschen unter Druck setzen?«
»Unter Druck? Jette und Merle? Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Sie haben Recht. Die beiden sind so halsstarrig, dass ich sie am liebsten eigenhändig zum Bahnhof schleifen und in einen Zug setzen würde.«
»Warum tun Sie es nicht?«
»Das fragen Sie noch?«
Sie lachten und die Distanz, die über jedem ihrer Sätze geschwebt hatte, löste sich auf.
»Gut«, versprach Bert. »Ich werde es versuchen. Aber erhoffen Sie sich nicht zu viel davon.«
Sie begleitete ihn zu seinem Wagen. Als er ihr die Hand reichen wollte, beugte sie sich vor, stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen raschen Kuss auf die Wange.
Auf der Landstraße schob Bert die CD von John Miles ein, gab Gas und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er war nicht der Typ für Seitensprünge. Er liebte seine Frau. Er hing an seinen Kindern. Sein Leben gefiel ihm so, wie es war. Er brauchte keine Komplikationen. Ein Polizist durfte nicht einmal daran denken, sich einer Frau zu nähern, die in einen Fall verwickelt war.
Unmöglich. Eine Frau wie Imke Thalheim. Ein Mann wie er. Undenkbar. Das war wie Feuer und Wasser. Wie Berg und Tal. Wie Schatten und Licht.
Music was my first love and it will be my last
, sang John Miles. Bei diesem Lied war Bert immer zumute, als brauche er nur die Arme auszubreiten, um fliegen zu können.
Music of the future and music of the past
. Bert drehte den Ton lauter. Der Wagen schien förmlich auf der Straße dahinzuschweben.
Ihr Lachen. Die Art, wie sie beim Zuhören den Kopf zur Seite neigte. Wie sie sich bewegte. Und warum hatte sie ihn geküsst?
Es hätte keine Zukunft, sagte er sich.
Ihm
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