Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee
oder nichts<, sagt der wahre Liebende, und das ist die Wahrheit. >Meine Liebe wird niemals sterben<, sagt er. Er erhebt Anspruch auf die Ewigkeit. Und dies zu Recht. Wie kann sie sterben, wenn sie das Leben selbst ist? Was wissen wir von der Ewigkeit, wenn nicht das, was wir von ihr erhaschen, indem wir jenes Band knüpfen?«
Er sprach leise, aber mit Feuer und Schwung. Dann lehnte er sich zurück, und nach einer Minute sagte er mit dem Anflug eines Lächelns: »Jeder Tropf von einem Bauernlümmel singt das, jede Maid, die von der Liebe träumt, weiß das. Aber es ist nichts, womit die Meister von Rok vertraut wären. Der Formgeber wusste es vielleicht früher. Ich selbst lernte es spät. Sehr spät. Aber noch nicht zu spät.« Er schaute Erle mit herausforderndem Blick an; noch immer loderte das Feuer in seinen Augen. »Du hattest es.«
»Ja, ich hatte es.« Erle holte tief Luft. Nach kurzem Zögern sagte er: »Vielleicht sind sie dort zusammen, im dunklen Land. Morred und Elfarran.«
»Nein«, sagte Sperber mit freudloser Gewissheit.
»Aber wenn das Band echt ist, was kann es dann zerreißen?«
»Es gibt dort keine Liebenden.«
»Was sind sie dann, und was tun sie dort in jenem Land? Ihr wart dort, Ihr habt die Mauer überstiegen. Ihr habt mit ihnen gesprochen. Erzählt es mir!«
»Das werde ich.« Aber dann sagte Sperber erst einmal eine ganze Weile nichts. »Ich denke nicht gern daran zurück«, meinte er schließlich. Er rieb sich den Kopf und machte einen finsteren Blick. »Du hast die Sterne dort gesehen. Kleine, mickrige Sterne, die sich niemals bewegen. Kein Mond. Kein Sonnenaufgang ... Es gibt Straßen dort, wenn du den Hang hinuntersteigst. Straßen und Städte. Auf dem Hang ist Gras, totes Gras, doch weiter unten gibt es nur mehr Stein und Staub. Nichts wächst dort. Die Städte sind dunkel. Die Toten stehen auf den Straßen oder wandeln auf den Wegen und Pfaden - ohne Ziel, ohne Ende. Sie sprechen nicht.
Sie berühren sich nicht. Sie berühren sich niemals.« Seine Stimme war tief und trocken. »Dort würde Morred an Elfarran Vorbeigehen, ohne sich umzudrehen, und sie würde ihn nicht anschauen ... Es gibt dort kein Wiederzusammenkommen, Hara. Kein Band der Liebe. Die Mutter hält ihr Kind dort nicht an der Hand.«
»Aber mein Weib kam zu mir«, erwiderte Erle. »Es rief mich beim Namen, es küsste mich auf den Mund!«
»Ja. Und da deine Liebe nicht größer war als irgendeine andere sterbliche Liebe, und da weder du noch sie mächtige Zauberer seid, deren Kraft die Gesetze des Lebens und des Todes aufzuheben vermöchte, deshalb, deshalb ist etwas anderes am Werk. Etwas geschieht, verändert sich. Und auch wenn es durch dich und mit dir geschieht, bist du sein Instrument und nicht seine Ursache.«
Sperber erhob sich und schritt zum Anfang des Pfades entlang der Felsen und wieder zurück zu Erle. Er war wie aufgeladen, fast bebend vor innerer Energie, einem Raubvogel gleich, der im Begriff ist, sich hinunter auf seine Beute zu stürzen.
»Sagte dein Weib, als du es bei seinem wahren Namen riefst, nicht: >Das ist nicht mehr mein Name< ...?«
»Doch«, sagte Erle, fast im Flüsterton.
»Aber wie kann das sein? Wir, die wir wahre Namen haben, behalten diese, wenn wir sterben, und es ist unser Gebrauchsname, der vergessen wird ... Dies ist ein Rätsel für die Gelehrten, das kann ich dir sagen, aber so, wie wir ihn verstehen, ist ein wahrer Name ein Wort in der Wahren Sprache. Das ist der Grund, weshalb nur einer mit der Gabe den Namen eines Kindes kennen und ihn geben kann. Und der Name bindet das Wesen -ob lebendig oder tot. Die ganze Kunst des Gebietens liegt darin ... Doch als der Meister dein Weib bei seinem wahren Namen rief, kam es nicht zu ihm. Du riefst es bei seinem Gebrauchsnamen, Lily, und es kam zu dir. Kam es zu dir als zu dem, der es wahrhaftig kannte?«
Er schaute Erle neugierig an, und doch so, als sähe er mehr als den Mann, der da bei ihm saß. Nach einer Weile fuhr er fort: »Als mein Meister Aihal starb, war mein Weib hier bei ihm; und als er im Sterben lag, sprach er zu meinem Weib: >'s ist verändert, alles veränderte Er schaute durch jene Mauer. Von welcher Seite aus, weiß ich nicht.
Und seit jener Zeit hat es in der Tat Veränderungen gegeben - ein König auf Morreds Thron und kein Erzmagier von Rok. Aber noch mehr als das, viel mehr. Ich sah, wie ein Kind, ein Mägdelein, den Drachen Kalessin rief, den Ältesten: und Kalessin kam zu ihr, kam zu dem Mägdelein, und
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