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Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee

Titel: Der Erdsee Zyklus 06 - Rückkehr nach Erdsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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hätten, ein gewaltiger Schimmer rauchigen Goldes gewesen, der den König und den Thron schier in den Schatten gestellt habe. Und viele von ihnen, wohl wissend, dass ein Mensch einem Drachen nicht in die Augen schauen durfte, blickten in der Tat zur Seite; doch auch sie riskierten einen verstohlenen Blick. Von den Frauen, die sie anschauten, fanden einige sie unansehnlich, andere schön, und wieder andere bedauerten sie, weil sie barfuß in den Palast hatte gehen müssen. Und ein paar Ratsmitglieder, die nicht recht begriffen hatten, fragten sich, wer die Frau sein mochte und wann der Drache wohl endlich kommen möge.
    Während sie sprach, dauerte die Totenstille an. Obzwar ihre Stimme die Leichtigkeit und Helligkeit der meisten Frauenstimmen hatte, füllte sie den hohen Saal ohne Schwierigkeit. Sie sprach bedächtig und förmlich, gleich als übersetzte sie ihre Worte im Geiste aus der älteren Sprache.
    »Mein Name war Irian, nach dem Gut Alt-Iria auf Weg. Jetzt bin ich Orm Irian. Kalessin, der Älteste, heißt mich Tochter. Ich bin die Schwester von Orm Embar, welchen der König kannte, und Enkelin von Orm, der den Gefährten des Königs, Erreth-Akbe, tötete und der von ihm getötet wurde. Ich bin hier, weil meine Schwester Tehanu nach mir gerufen hat.
    Als Orm Embar auf Selidor starb und die sterbliche Hülle des Zauberers Cob zerstörte, kam Kalessin von jenseits des Westens und brachte den König und den großen Magier nach Rok. Zu den Dracheninseln zurückgekehrt, rief der Älteste sodann die Völker des Westens zusammen, denen von Cob die Sprache genommen worden war und die immer noch verwirrt waren. Kalessin sprach zu ihnen: >Ihr lasst Böses euch zu Bösen machen. Ihr seid von Sinnen gewesen. Ihr seid wieder zur Vernunft gekommen, aber solange die Winde aus dem Osten wehen, könnt ihr nimmer sein, was ihr wart, frei sowohl vom Guten als auch vom Bösen.<
    Und Kalessin sprach weiter: >Vor langer Zeit trafen wir unsere Wahl. Wir wählten die Freiheit. Die Menschen wählten das Joch. Wir wählten das Feuer und den Wind. Sie wählten das Wasser und die Erde. Wir wählten den Westen, sie den Osten. <
    Und Kalessin sprach weiter: >Doch immer gibt es einige unter uns, die ihnen ihren Wohlstand neiden, und stets gibt es einige unter ihnen, die uns unsere Freiheit neiden. So begab es sich, dass das Böse in uns kam und wieder in uns kommen wird, bis wir abermals wählen -und diesmal für immer -, frei zu sein. Bald werde ich hinter den Westen gehen, um auf dem anderen Wind zu fliegen. Ich werde euch dorthin führen oder dort auf euch warten, ob ihr kommen werdet. <
    Da sagten einige der Drachen zu Kalessin: >Die Menschen stahlen uns in ihrem Neid vor langer Zeit die Hälfte unseres Reiches hinter dem Westen und bauten Mauern aus Magie, um uns von dort fern zu halten. Also lasst sie uns jetzt in den tiefsten Osten treiben und die Inseln wieder in unseren Besitz nehmen! Menschen und Drachen können den Wind nicht miteinander teilen<
    Da sprach Kalessin: >Einstmals waren wir ein Volk. Und zum Zeichen dafür werden in jeder Menschengeneration einer oder zwei geboren, die auch Drachen sind. Und in jeder Generation unseres Volkes, welche länger währt als die kurzlebige des Menschen, wird einer von uns geboren, der auch Mensch ist. Von diesen lebt jetzt einer auf den Inneren Inseln. Und einer von ihnen lebt jetzt dort, der Drache ist. Diese zwei sind Botschafter, sie bringen die Möglichkeit der Wahl. Weder uns noch ihnen werden noch einmal solche geboren werden. Denn das Gleichgewicht verschiebt sich.<
    Und Kalessin sprach weiter zu ihnen: >Wählt. Kommt mit mir und fliegt mit mir auf die andere Seite der Welt, auf dem anderen Wind. Oder bleibt und nehmt das Joch von Gut und Böse auf euch. Oder verkümmert zu dummen Tieren.< Zum Schluss sprach Kalessin: >Die Letzte, die die Wahl treffen wird, wird Tehanu sein. Nach ihr wird es keine Wahl mehr geben. Es wird keinen Weg mehr nach Westen geben. Nur der Wald wird, wie er es immer ist, im Zentrum sein.<«
    Die Mitglieder des Rates des Königs lauschten mucksmäuschenstill. Irian stand reglos da und starrte wie durch sie hindurch, während sie sprach.
    »Nachdem ein paar Jahre vergangen waren, flog Kalessin jenseits des Westens. Einige folgten ihm, andere nicht. Als ich zu meinem Volke stieß, folgte ich Kalessin. Aber ich fliege dorthin und kehre wieder zurück, solange die Winde mich tragen werden.
    Die Stimmung meines Volkes ist von Eifersucht und Zorn geprägt. Die, die

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