Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer
Unterwäsche, Hüte, Spaten, Nadeln, Taschen, Kessel, Körbe, Haken, Messer, Seile, Schrauben, Bettwäsche und von allem Erdenklichen an Haushaltsgeräten und Werkzeugen anpriesen.
»Ist das ehrlich?«
»He?« fragte der Mann mit der Knollennase und legte seinen Kopf schief.
»Ist das ehrlich, Onkel?«
»Ehrlich? Nein, nein, aber so geht’s hier das ganze Jahr über zu. Behalt deine Bratfische, Alte. Ich hab schon gefrühstückt!«
Arren versuchte, einen Mann mit einem Tablett voll kleiner Messingbehälter abzuschütteln, der ihm auf den Fersen folgte und mit weinerlicher Stimme rief: »Kaufen Sie, versuchen Sie es, junger Herr, Sie werden nicht enttäuscht sein, ein Atem, so süß wie die Rosen von Numina, er bezaubert die Frauen, versuchen Sie es, junger Seefürst, junger Prinz …«
Doch plötzlich war Sperber zwischen ihm und dem Trödler und sagte: »Was für Amulette sind das?«
»Keine Amulette!« wimmerte der Mann und schreckte vor ihm zurück. »Ich verkaufe keine Amulette, Seemeister! Nur einen Sirup, der den Atem nach Alkoholgenuß und dem der Haziawurzel versüßt – nur ein Sirup, mächtiger Prinz!« Er kauerte auf den Pflastersteinen, sein Tablett mit den kleinen Krügen klapperte und klirrte, einige waren umgefallen, und ein paar Tropfen der zähen süßen Flüssigkeit waren herausgeflossen und tropften rosa und lila über den Rand des Tabletts.
Sperber wandte sich um und ging mit Arren weiter seines Weges. Die Menge lichtete sich, die Geschäfte wurden noch armseliger, es waren meist nur noch Verschläge, vor denen Waren ausgebreitet lagen, eine Handvoll krummer Nägel, ein zerbrochenes Messer, ein alter Kamin. Arren fand die Armut hier weniger abstoßend als das vorher Gesehene; das reichere Ende der Straße hatte ihm den Atem genommen, Ekel war in ihm aufgestiegen vor der Menschenmasse, vor der Aufdringlichkeit der Trödler, vor den Stimmen, die von allen Seiten auf ihn eindrangen: Kaufe! Kaufe! Und das Elend des Bettlers hatte ihn abgestoßen. Er dachte an die kühlen breiten Straßen seiner Heimatstadt im Norden. Kein Mensch in Berila hätte sich so vor einem anderen Menschen erniedrigt. »Das ist ein verachtenswertes Volk!« sagte er.
»Hier rum, Neffe!« war die Antwort seines Gefährten. Sie betraten eine enge Gasse, die sich zwischen hohen, roten, fensterlosen Hauswänden am Hügel entlangzog und schließlich unter einem Torbogen hindurch, an dem uralte, zerfetzte Fahnen hingen, hinaus ins Sonnenlicht auf einen viereckigen Marktplatz führte, der voll mit Buden und Tischen stand, wo sich Fliegen in Schwärmen einfanden und die Menschen sich fast ebenso dicht drängten.
Am Rand des Platzes lagerten teilnahmslos Gestalten, Männer und Frauen, die teils saßen, teils regungslos auf dem Rücken lagen. Ihre Münder waren merkwürdig schwärzlich, es sah aus, als seien sie wund, und Fliegenschwärme, wie Hände voll Korinthen, hatten sich auf ihre Lippen niedergelassen.
»So viele«, stöhnte Sperber, und seine Stimme war unterdrückt und atemlos, als ob er zutiefst erschrocken wäre. Doch als ihn Arren anblickte, sah er nur das grobe, gutmütige Gesicht von Falk, dem Händler, das keine Anteilnahme zeigte.
»Was ist mit den Leuten hier los?«
»Hazia. Es betäubt und befriedigt und befreit den Körper vom Geist. Und der Geist schweift umher. Doch wenn er zum Körper zurückkehrt, dann braucht er mehr Hazia … Und das Verlangen wächst und das Leben ist kurz, denn das Zeug ist Gift. Es beginnt mit einem Zittern, später tritt eine Lähmung ein, am Ende wartet der Tod.«
Arren blickte auf eine Frau, die sich mit dem Rücken an die sonnenwarme Wand lehnte. Sie hatte ihre Hand erhoben, um die Fliegen von ihrem Mund wegzuscheuchen, doch ihre Hand beschrieb nur eine ruckhafte, kreisförmige Bewegung in der Luft, so als ob sie den Grund ihrer Bewegung schon wieder vergessen hätte und nur einem unwillkürlichen Zucken der Muskeln folgte. Die Geste sah aus wie die Handbewegung, die eine Zauberformel begleitet, doch sie wurde ziellos und leer in die Luft hinein gewirkt.
Auch Falks Blick ruhte auf ihr, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos.
»Komm!« sagte er.
Er führte Arren quer über den Marktplatz zu einer von bunten Markisen beschatteten Bude. Grünes, orangefarbenes, zitronengelbes, hellblaues und rotes Sonnenlicht fiel auf Stoffe, Umhänge und geflochtene Gürtel, die verführerisch ausgebreitet lagen, und tanzte in den vielen kleinen Spiegeln, die den kunstvoll aufgetürmten und
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