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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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triumphieren möchte – wenn wir grenzenlosen Reichtum, uneingeschränkte Sicherheit, Unsterblichkeit erstreben – dann wird der Wunsch zur Gier. Und wenn sich Wissen zu dieser Gier gesellt, dann kommt das Unheil, das Böse. Dann wird das Gleichgewicht der Welt gestört, und der Ruin drückt die Waage nach unten.«
    Arren grübelte eine Weile über diese Worte nach, dann fragte er: »Sie glauben also, daß wir einen Menschen suchen?«
    »Einen Menschen und einen Magier. Ja, das glaube ich.«
    »Aber ich hatte geglaubt, nach dem, was mich mein Vater und meine Lehrer gelehrt hatten, daß die hohen Künste der Magie auf dem Gleichgewicht aller Dinge beruhen, und daher nicht zu bösen Zwecken verwendet werden können.«
    »Das«, sagte Sperber leise seufzend, »das ist eine umstrittene Lehre. Immer wird es Kämpfe zwischen Magiern geben … Jedes Land der Erdsee kennt Zauberweiber, die Schwarze Zauberkünste ausüben, und Zauberer, die ihre Kunst dazu benutzen, sich selbst zu bereichern. Aber es gibt noch Schlimmeres. Der Feuerfürst, der die Dunkelheit abschaffen und die Sonne am Mittag festhalten wollte, war ein großer Magier, und selbst Erreth-Akbe konnte ihn nur mit äußerster Anstrengung bezwingen. Morreds Feind war ähnlich. Er war so mächtig, daß sich die Städte vor ihm beugten, wo immer er hinkam, und Armeen fochten für ihn. Der Zauber, den er gegen Morred gewoben hatte, war so stark, daß er des Zauberers Tod überdauerte; die Insel Soléa wurde vom Meer überspült und alle, die dort wohnten, gingen unter. Das alles waren Männer gewesen, die große Macht und großes Wissen besaßen, die aber dem Willen des Bösen dienten und an ihm stark wurden. Ob die Zauberkraft, die dem Guten dient, letzten Endes die stärkere ist, das wissen wir nicht. Wir hoffen es nur.«
    Es ist bitter, wenn man dort, wo man Sicherheit erwartet hat, nur Hoffnung findet. Arren war nicht gewillt, diese bittere Pille zu schlucken. Nach einer Weile meinte er: »Ich glaube, jetzt verstehe ich, was Sie meinten, als Sie sagten, daß nur Menschen Böses tun können. Selbst Haifische sind unschuldig. Sie töten, weil sie müssen.«
    »Deswegen kann uns Menschen keine Schranke gesetzt werden. Eine einzige Macht nur kann einem bösen Menschen widerstehen: ein anderer Mensch. In unserer Tiefe liegt auch unsere Größe. Nur in unserem menschlichen Willen, der des Bösen mächtig ist, liegt gleichzeitig auch die Macht, Böses zu überwinden.«
    »Aber die Drachen«, sagte Arren, »tun die nichts Böses? Sind die unschuldig?«
    »Die Drachen? Die Drachen sind goldgierig, unersättlich, hinterlistig, erbarmungslos und kennen keine Reue. Doch sind sie böse? Ich, ein Mensch, wie kann ich mich unterstehen, Drachen zu beurteilen? – Sie sind weiser als wir. Sie sind wie Träume, Arren. Wir Menschen, wir träumen, wir wirken Magie. Wir tun Gutes und wir tun Böses. Doch Drachen träumen nicht. Sie sind selbst Träume. Sie wirken keine Magie: Magie ist ihr Wesen, ihr Sinn. Sie handeln nicht, sie sind.«
    »In Serilune«, sagte Arren, »befindet sich die Haut von Bar Oth, der vor dreihundert Jahren von Keor, einem Prinzen von Enlad, getötet wurde. Von diesem Tag an sind keine Drachen mehr nach Enlad gekommen. Ich habe die Haut von Bar Oth gesehen. Sie ist so schwer wie Eisen, und man sagt, sie sei so groß, daß sie, ausgebreitet, den ganzen Marktplatz von Serilune bedecken würde. Die Zähne sind so lang wie mein Unterarm. Und Bar Oth, so sagt man, war noch nicht voll ausgewachsen, er war noch ein junger Drache.«
    »Du hegst den Wunsch«, sagte Sperber, »selbst Drachen zu sehen.«
    »Ja.«
    »Ihr Blut ist kalt und giftig. Man darf nie in ihre Augen blicken. Sie sind viel älter als die Menschen.« – Er verstummte und fuhr dann fort: »Und doch, wenn ich alles, was ich in meinem Leben getan habe, vergessen oder bedauern müßte, wenn mir dies eine Bild bliebe – Drachen, die, vom Winde getragen, sich über die Inseln im Westen erheben –, dann wäre ich zufrieden.«
    Beide schwiegen; alles war still, nur das Wasser flüsterte gegen das Boot; kein Licht blinkte. Und endlich schliefen sie ein, an der Küste Warhorts, über dem tiefen Wasser des Meeres.
    Der Hafen von Hort lag im hellen Dunst des Morgens. Hundert oder noch mehr Schiffe waren teils noch verankert, teils schon unterwegs: Fischkähne, Schleppkähne, einfache Ruderboote, Lastschiffe, zwei Galeeren mit je zwanzig Rudern, eine große Galeere mit sechzig Rudern in schlechtem Zustand,

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