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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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wieder auf und schrie. Sein Rücken war gekrümmt, seine Flügel schlugen laut, und Feuer flog aus seinen Nüstern. Er versuchte zu fliegen, doch seine Kraft reichte nicht mehr aus. Giftig und eiskalt lag das Metall in seiner Brust. Er krümmte sich zusammen, und das Blut rann schwarz und dampfend aus seinem Rachen; das Feuer erlosch in seinen Nüstern, bis sie zu aschegefüllten Gruben wurden. Er legte sein mächtiges Haupt in den Sand.
    Und so verschied Orm Embar, am selben Ort, an dem sein Vorfahre Orm gefallen war, und auf dem Sand, unter dem die Gebeine Orms begraben lagen.
    Doch an der Stelle, wo Orm Embar seinen Feind erdrückt hatte, lag ein Scheusal, klein, ausgedörrt, wie eine Riesenspinne, die in ihrem Netz vertrocknet war. Das Ding, das da im Sande lag, war vom Atem des Drachen verbrannt, von der Wucht seiner Krallen zerschmettert worden. Doch Arren sah, wie es sich bewegte: Langsam kroch es weg vom toten Drachen.
    Ein Gesicht erhob sich aus dem Sand und wandte sich ihnen zu. Keine Spur der männlichen Schönheit war verblieben, zerstört, zerfallen war es, ein Alter bezeugend, das alles Altsein überlebt hatte. Der Mund war verschwunden, die Augenhöhlen waren schon lange leer. Ged und Arren blickten endlich in das wahre Gesicht ihres Feindes.
    Es wandte sich um. Die verbrannten schwarzen Arme streckten sich weit und schienen die schwarzen Schatten zu umfassen, die gleichen formlosen, immer dunkler werdenden Schatten, die das Sonnenlicht getrübt hatten. Zwischen den Armen dieses Wesens, dem Urfeind allen Schöpfens, allen Erschaffens, tat sich so etwas wie ein Tor auf, doch war auch dieses formlos und undeutlich. Dahinter lag weder der bleiche Sand noch das Meer, sondern ein langer, sich neigender Hang, der hinunterführte in abgründiges Dunkel.
    Dorthin schleppte sich die zerschundene, mühsam kriechende Kreatur, doch als sie das Dunkel betrat, schien sie plötzlich zu schwellen und zu wachsen, sie bewegte sich schneller und verschwand.
    »Komm, Lebannen!« sagte Ged und legte seine Rechte auf des Jünglings Arm, und gemeinsam ließen sie ihre Welt hinter sich und betraten das trockene Land.

Das trockene Land
    EIN SILBERWEISSES LICHT ging von dem Erlenstab in des Magiers Hand aus, als sie die dumpfe, immer dichter werdende Düsternis betraten. Ein schwach schimmerndes weißes Licht zog Arrens Blick auf sich; entlang der entblößten Schwertklinge, die er in der Hand trug, zog sich ein schmaler Lichtstreif. Als der Drache am Strand von Selidor durch seinen Opfertod den Bann brach, der auf dem Schwert gelegen hatte, eröffnete er Arren die volle Macht über das Schwert. Und jetzt, obwohl er hier nur als ein Schatten wanderte, trug er den Schatten seines Schwertes in der Hand.
    Kein anderes Licht war sonst zu sehen. Alles war trüb, wie eine späte Dämmerung im November unter einem mit Wolken verhangenen Himmel. Eine bedrükkende, kalte, unbewegliche Luft, in der man zwar sehen konnte, doch nur begrenzt und undeutlich, umgab sie. Arren kannte den Ort: es war das Moor, die öde Landschaft seiner hoffnungslosen Träume, doch kam es ihm jetzt vor, als befände er sich viel tiefer darin, als er je in seinen Träumen gewesen war. Er konnte nichts klar erkennen, außer daß er und sein Gefährte am Abhang eines Hügels standen, und daß sich vor ihnen eine niedere, aus Stein erbaute Mauer hinzog.
    Geds Hand lag noch auf Arrens Arm. Er schritt immer noch voran, und Arren ging mit ihm. Sie überstiegen die Steinmauer.
    Vor ihnen lag der Hang; seine Umrisse waren verschwommen; er verlor sich in ein ungewisses Dunkel.
    Doch über ihnen, wo Arren eine dichte Wolkendecke vermutet hatte, erstreckte sich nun ein tiefschwarzer Himmel mit Sternen. Er blickte auf, und es war ihm, als zöge sich ihm das Herz ganz kalt und klein in der Brust zusammen. Solche Sterne hatte er noch nie gesehen. Sie standen zwar an einem Himmel, doch kein Glanz ging von ihnen aus; sie standen unbeweglich, sie kannten weder Auf- noch Untergang, und keine Morgenröte ließ sie je verblassen. Starr und stumm blickten sie herab auf das Trockene Land.
    Ged begann, auf der Seite jenseits des Lebens hinabzusteigen, Arren folgte ihm. Entsetzen packte ihn, doch sein Herz war entschlossen und sein Wille so fest, daß die Furcht keine Macht über ihn gewann, er war sich ihrer gar nicht klar bewußt. Er fühlte nur, wie etwas tief in seinem Innern litt, wie ein Tier, das in einem verschlossenen Raum angekettet war.
    Es kam ihm vor, als wären sie schon

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