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Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 4 - Tehanu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula K. LeGuin
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für ihn.« Aber tödliche Übelkeit überkam sie, und sie hörte ihre Stimme kreischen: »Idiot, Schwachsinnige, Dummkopf, Weib!« Heide starrte sie an und hörte auf zu lachen. Tenar hielt sich den Mund mit der Hand zu. Sie packte Heide, drehte sie um, damit sie die im Melkschuppen reifenden Käse ansah, und zeigte auf sie und auf Heide, hin und zurück, bis Heide unsicher nickte und wieder lachte, weil Tenar sich so komisch benahm.
    Tenar nickte Therru zu – komm! – und betrat das Haus, wo der üble Geruch stärker war und Therru sich deshalb duckte.
    Tenar holte ihre Ranzen und ihre Wanderschuhe hervor. In ihren Ranzen legte sie ihr zweites Kleid und die Hemden, die beiden alten Kleider von Therru, das halbfertige neue und den restlichen Stoff; die Spinnwirteln, die sie für sich und Therru geschnitzt hatte; ein wenig Essen und eine Tonflasche mit Wasser für unterwegs. In Therrus Ranzen kamen Therrus beste Körbchen, die Knochenperson und das Knochentier in ihrem Grassäckchen, ein paar Federn, eine kleine Labyrinthmatte, die Tantchen Moor ihr geschenkt hatte, und ein Säckchen mit Nüssen und Rosinen.
    Sie wollte sagen: ›Gieß den Pfirsichbaum‹, wagte es aber nicht. Sie führte das Kind hinaus und zeigte es ihr. Therru goß den winzigen Schößling sorgfältig.
    Sie fegten das Haus und brachten es in Ordnung; sie arbeiteten schnell und schweigend.
    Tenar stellte einen Krug auf ein Regal zurück und sah an dessen anderem Ende die drei großen Bücher, Ogions Bücher.
    Arha sah sie, und sie bedeuteten ihr nichts, große Lederschachteln voll Papier.
    Aber Tenar betrachtete sie und biß sich auf die Knöchel, runzelte die Stirn, während sie sich zu entscheiden bemühte, was sie tun und wie sie sie tragen sollte. Sie konnte sie nicht tragen. Aber sie mußte es tun. Sie konnten nicht in dem entweihten Haus bleiben, dem Haus, in das Haß gekommen war. Sie gehörten ihm. Ogion. Ged. Ihr. Das Wissen. Lehre sie alles! Sie nahm die Wolle und das Garn aus dem Sack, in dem sie sie hatte tragen wollen, legte die Bücher hinein, eines auf das andere, und band den Sack mit einem Lederriemen zu, in den sie eine Schlinge machte, an der sie ihn tragen konnte. Dann sagte sie: »Wir müssen jetzt gehen, Therru.« Sie sprach auf kargisch, aber der Name des Kindes war der gleiche, es war ein kargisches Wort, Flamme, flammend, und Therru kam, stellte keine Fragen, trug ihren kleinen Hort in dem Ranzen auf dem Rücken.
    Sie nahmen ihre Wanderstöcke, den Haselnußstekken und den Erlenast mit. Ogions Stab ließen sie in der dunklen Ecke neben der Tür stehen. Sie ließen die Haustür für den Wind vom Meer weit offen.
    Ein tierischer Instinkt führte Tenar fort von den Feldern und der Hügelstraße, über die sie hergekommen war. Sie faßte Therru bei der Hand und nahm eine Abkürzung über die steil abfallenden Weiden zu der Fahrstraße, die im Zickzack nach Gonthafen hinunterführte. Sie wußte, daß sie verloren war, wenn sie Aspen traf, und dachte, daß er sie vielleicht unterwegs erwartete. Aber vielleicht nicht auf diesem Weg.
    Nach etwa einer Meile war sie allmählich imstande zu denken. Ihr erster Gedanke war, daß sie die richtige Straße eingeschlagen hatte. Denn die hardischen Worte kamen wieder, und nach einer Weile die wahren Worte, so daß sie sich bückte, einen Stein aufhob, ihn in der Hand hielt und im Geist tolk sagte; sie steckte diesen Stein in die Tasche. Sie blickte hinaus in die großen Räume der Luft und der Wolken und sagte im Geist einmal Kalessin . Und ihr Geist wurde so klar wie die Luft.
    Sie gelangten in einen langen Einschnitt, der von hohen grasbewachsenen Böschungen und Felsbrocken beschattet wurde und in dem sie sich ein wenig unbehaglich fühlte. Als sie zur Kehre hinauskamen, erblickten sie die dunkelblaue Bucht unter sich; zwischen den Festungsklippen fuhr ein schönes Schiff unter vollen Segeln in den Hafen ein. Tenar hatte sich vor dem Schiff gefürchtet, das vorher gekommen war, aber nicht vor diesem. Sie wäre am liebsten die Straße hinuntergelaufen, ihm entgegen.
    Doch das war nicht möglich. Sie paßte sich Therrus Schritten an. Sie gingen schneller als vor zwei Monaten, und es fiel ihnen auch leichter, weil sie bergab gingen. Das Schiff eilte ihnen entgegen. In seinen Segeln war der Zauberwind; es überquerte die Bucht wie ein fliegender Schwan. Es war im Hafen, bevor Tenar und Therru die nächste lange Straßenbiegung halb hinter sich hatten.
    Städte jeder Größe waren für Tenar

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