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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
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und abgelehnt – werden. Heute hat sich das Blatt erneut gewendet. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wurde lange so schlecht vermittelt, dass sich eine breite Kluft auftut zwischen der Mehrheit der öffentlichen Meinung, die nicht versteht und akzeptiert, was da passiert, und der überwiegenden Mehrheit des Deutschen Bundestages, dessen Abgeordnete jährlich einer Verlängerung des Mandats zustimmen. Gerade die deutsche Politik hat es versäumt, das Feindbild Taliban wirklich glaubhaft zu vermitteln, und muss befürchten, dass es ihr dauerhaft nicht mehr in dem Maße gelingt, die in Demokratien notwendige Unterstützung für kostspielige und gefährliche Auslandseinsätze von Armeen zu erzeugen. Wer über klare und glaubwürdige Feindbilder verfügt, hat es da um ein Vielfaches einfacher. Schon deshalb wird die Suche vermutlich weitergehen, obwohl sie mitunter durchaus gefährlich sein kann, weil sich selbst erfüllende Prophezeiungen Feindbilder schaffen, die es so nicht unbedingt geben müsste. Bei genauer Betrachtung gehört im Übrigen nicht viel Spürsinn dazu, die Volksrepublik China als geeigneten Kandidaten für ein dauerhaft belastbares Feindbild auszumachen. Währungspolitik, Außenhandelsdefizite, Arbeitsplatzabwanderung, Technologiediebstahl, vor allemaber Chinas militärische Modernisierung und Aufrüstung liefern schon heute die Themen, mit denen vor allem in den USA (und hier im Wesentlichen unter den sicherheitspolitischen »Falken«) das Feindbild China gepflegt und für jederzeitigen Einsatz auf Hochglanz gebracht wird.
    Natürlich muss man auch die vielleicht noch provozierendere Frage stellen, ob und warum Demokratien überhaupt Feindbilder brauchen. Immerhin sagt man ihnen untereinander eine ausgesprochene Friedensneigung zu. Richtig ist bis heute nur, dass noch keine konsolidierte Demokratie gegen eine andere Krieg geführt hat. Aber das gilt eben nicht für Autokratien. Hier haben Demokratien sogar einen ausgesprochenen Hang zur militärischen Auseinandersetzung – einschließlich der Tatsache, dass sie eine ausgeprägte Tendenz haben, solche Kriege in der Regel zu gewinnen.
    Zunächst einmal können wir festhalten, dass Feindbilder ausgesprochen nützlich sein können, denn mit Feindbildern und Bedrohungsszenarien lassen sich gerade außenpolitische Kosten eines Staates vorzüglich begründen. Sie helfen durch den klaren Kontrast, den sie bieten, Selbstvergewisserung auf der eigenen Seite zu erzeugen – oder vielleicht sogar erst möglich zu machen. Und natürlich sind gerade Demokratien angehalten, nicht einfach nur brauchbare Entscheidungen zu treffen, sondern sie auch innenpolitisch zu legitimieren. Wenn man dies mit Verweis auf eine klare Bedrohung oder ein klar umrissenes Feindbild tun kann, ist es in einem demokratischen Gemeinwesen viel einfacher, Zustimmung zu finden, als wenn man nur an die Kraft der Vernunft oder die Einsicht der Massen appelliert. Und so verweisen gerade demokratisch gewählte Politiker, wenn sie außenpolitische Kosten begründen müssen, gerne auf Feindbildstrukturen. Nur wer Feindbilder hat oder suggeriert, kann beispielsweise Militärausgaben in Konkurrenz zu Sozialausgaben begründen. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Feindbilder auch öffentlich zu überzeugen vermögen. Wenn das nicht gelingt, droht politischer Legitimitätsverlust. Aber wie einfach so etwas auf der anderen Seite auch möglich ist, zeigt ein Beispiel aus den außenpolitischen Grundsatzentscheidungen der Bush-Administration. In den USA und Europa war es nach dem 11. September 2001 leicht, vor der Bevölkerung die Kosten für den ursprünglichen Angriff auf die Taliban in Afghanistan zu rechtfertigen. Es galt, das neue Feindbild des internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Die Angst vor weiteren Terroranschlägen saß allen im Nacken. Kosten wurden gar nicht erst im Detail diskutiert. Anfang Januar 2002, wenige Wochen nach den Anschlägen von New York und Washington, wussten die Redenschreiber des amerikanischen Präsidenten, dass sie etwas Besonderes zustande bringen mussten. Die erste Rede zur Lage der Nation nach dem 11. September 2001 wurde von aller Welt mit Spannung erwartet. Was in den Büros des Weißen Hauses geschah, klingt wie ein Lehrstück über die einfachen Zufälle, die Weltpolitik verändern. »Kannst du in einem oder zwei Sätzen eine gute Begründung für einen Angriff auf den Irak liefern?«, lautete die Aufforderung an David Frum, einen der Redenschreiber

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