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Der erfolgreiche Abstieg Europas

Der erfolgreiche Abstieg Europas

Titel: Der erfolgreiche Abstieg Europas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eberhard Sandschneider
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nehmen von den Lebenslügen des Westens,
die unser Denken behindern und den erfolgreichen Abstieg des Westens erschweren. Im nächsten Kapitel wollen wir uns diesen Überlegungen
zuwenden.
Die Thesen im Überblick:
    Die Schockwellen des vergangenen Jahrzehnts haben uns ein ums andere Mal auf dem falschen Fuß erwischt. Die intellektuellen und politischen Reaktionen auf diese Schocks waren geprägt von alten Denkmustern und dem Festhalten an den Erklärungsmustern, die die Debatten im Westen vor 1989 geprägt hatten.
    Politische Katastrophen entstehen häufig durch Entscheidungsmuster, die Barbara Tuchman als »Torheit der Regierenden« bezeichnet hat. Das zu tun, was in der Vergangenheit immer funktionierte, kann unter veränderten Umständen zum Scheitern, gelegentlich sogar zu Katastrophen führen.
    Die prägenden Debatten um die Veränderungen in der internationalen Politik waren Schwarz-Weiß-Debatten, die aus einer Haltung der Überlegenheit fundamentale
    Widersprüche zwischen dem Westen und dem Rest der Welt unterstellten.
    Die Suche nach neuen Feindbildern beschäftigt den Westen seit dem Zerfall der Sowjetunion. Bis heute hat kein Kandidat auf Dauer den Test bestanden – bis auf China, das sich in Anbetracht seiner wachsenden Potenziale schon heute als globaler Rivale des Westens aufstellt und vor allem in den USA als mögliches neues Feindbild offen diskutiert wird.

4 LEBENSLÜGEN DES WESTENS
Von Gebetsmühlen und sinnloser Symbolpolitik
    Eine geradezu typische Reaktion auf die Veränderungen seit 1989 wird immer mehr zu einer Geißel unserer Zeit: Statt Probleme und Positionen klar zu benennen, wird schöngeredet, was uns zu Selbstverständlichkeiten geworden ist. Worthülsen in endloser Wiederholung finden sich regelmäßig in den Versuchen, die Veränderungen in der internationalen Politik zu erklären, aber auch das Festhalten an den vermeintlichen Konstanten zu unterstreichen. Nur in wirklichen Krisenzeiten scheinen wir zu registrieren, dass Wiederholung zwar die Mutter aller Studien ist (»Repetitio est mater omnium studiorum«, wie die alten Römer gerne sagten), dass sie aber eben nicht als qualitative Grundlage für komplexe Entscheidungssituationen taugt. Und so haben wir uns die Welt gebetsmühlenartig schöngeredet.
Gebetsmühlenpolitik
    Gebetsmühlen sind nicht nur religiöse Instrumente in den Händen tibetischer Gläubiger, sie sind im übertragenen Sinne auch eine tolle Erfindung für politische Symbolsprache.Wenn man an ihre Wirkung glaubt, erleichtern sie den Dialog mit den Göttern, aber auch mit einer oberflächlich zuhörenden Öffentlichkeit ungemein. Sie machen das Beten um so viel leichter, weil jede Umdrehung den Text des Gebetes automatisch den Göttern (oder in unserem Fall dem jeweiligen Publikum) näher bringt. Wer schneller dreht, wird schneller erhört. Wer öfter dreht, wird früher erhört. Nach diesem Mechanismus erfolgt vielfach politische Kommunikation als immer schnelleres Drehen von Worthülsen, die längst fast sinnentleert wie trockenes Stroh weiter gedroschen werden, ohne dass man bereit ist anzuerkennen, dass bestenfalls Staub durch die Luft fliegt.
    Bezeichnenderweise kommen sie nicht nur aus geübtem Politikermund. Auch Journalisten und »Experten« beherrschen die Technik meisterhaft, mit gesetzten Worten ohne Ecken und Kanten zu formulieren. Bleierne, vor Vorsicht triefende Satzungetüme werden uns nur allzu gerne angeboten. Vermitteln sollen sie zweierlei: Wir wollen nicht sagen, was wir wissen, oder wir haben so wenig nachgedacht, dass wir selbst nicht wirklich wissen, was wir sagen wollen. Ermüdend und bisweilen sogar gefährlich sind solche Formulierungen auf jeden Fall.
    In Erinnerung bleiben werden die geradezu tollpatschigen Bemühungen des damaligen deutschen Verteidigungsministers Franz Josef Jung, einer staunenden deutschen Öffentlichkeit zu erklären, dass in Afghanistan kein Krieg herrsche. Der Minister versuchte es mit beschwörenden Worten: »Ich halte es für falsch, von einem Krieg zu sprechen. Es ist ein Stabilisierungseinsatz. Denn allein militärisch werden wir in Afghanistan keinen Erfolg haben. Ein Krieg wird nur militärisch geführt. Im Krieg findet kein Wiederaufbau statt, kein Bau von Schulen oder Krankenhäusern, im Krieg werden keine einheimischen Streitkräfte ausgebildet. In Afghanistan ist kein Krieg.« 34 Wirklich geglaubt hat ihm das niemand. »Warum eigentlich so ein Unsinn«, sagt sich der gesunde Menschenverstand: Wo

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