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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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»Sie machen Witze! Das meinen Sie doch nicht ernst?«
    »Na ja«, sagte Harry und bog in die Sofies gate. »Es kann natürlich auch daran liegen, dass da Familien mit Kindern eingezogen sind.«
    Martine schlug ihm lachend auf die Schulter. »Machen Sie keine Witze mit Geistern. Ich glaube daran.«
    »Ich auch«, sagte Harry. »Ich auch.«
    Martine hörte auf zu lachen.
    »Hier wohne ich«, sagte Harry und deutete auf eine hellblaue Tür.
    »Hatten Sie nicht noch mehr Fragen?«
    »Doch, aber die können bis morgen warten.«
    Sie legte den Kopf auf die Seite. »Ich bin noch nicht müde. Haben Sie Tee?«
    Ein Auto rollte langsam auf knirschendem Schnee heran, blieb aber in fünfzig Meter Entfernung stehen und blendete sie mit seinem blauweißen Licht. Harry sah sie nachdenklich an, während er nach dem Schlüssel suchte. »Nur Pulverkaffee. Hören Sie, ich rufe...«
    »Pulverkaffee ist auch gut«, sagte Martine. Harry wollte gerade den Schlüssel ins Schloss stecken, da kam ihm Martine zuvor und drückte die hellblaue Tür auf. Harry beobachtete, wie sie langsam zufiel und dann an der Innenseite des Rahmens liegen blieb, ohne ins Schloss zu fallen.
    »Das ist die Kälte«, murmelte er. »Das Haus zieht sich zusammen. «
    Harry drückte die Tür energisch ins Schloss, ehe sie die Treppe nach oben gingen.
    »Bei Ihnen ist es aber ordentlich«, sagte Martine, als sie sich im Flur die Stiefel auszog.
    »Ich hab nicht so viel Sachen«, rief Harry aus der Küche. »Und welche davon sind Ihnen am wichtigsten?«
    Harry dachte nach. »Die Platten.«
    »Nicht das Fotoalbum?«
    »Ich glaube nicht an Fotoalben«, sagte Harry.
    Martine kam in die Küche und kletterte auf einen der Stühle.Harry sah bewundernd, wie sie mit katzenartiger Geschmeidigkeit die Beine unter sich zog.
    »Sie glauben nicht daran?«, fragte sie. »Wie meinen Sie das?« »Sie wirken irgendwie zersetzend auf die Fähigkeit zu vergessen. Milch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber Sie glauben an Platten?« »Ja. Die lügen ehrlicher.«
    »Aber haben die nicht auch eine zersetzende Wirkung auf die Fähigkeit zu vergessen?«
    Harry stoppte mitten im Eingießen. Martine lachte leise. »Ich nehme Ihnen den schroffen, desillusionierten Hauptkommissar nicht ganz ab. Ich glaube, Sie sind ein Romantiker, Hole.«
    »Lassen Sie uns ins Wohnzimmer gehen«, sagte Harry. »Ich habe mir gerade eine wirklich schöne Platte gekauft. Vorläufig sind keine Erinnerungen damit verknüpft.«
    Martine machte es sich auf dem Sofa bequem, während Harry das Debutalbum von Jim Stärk auflegte. Dann setzte er sich in den grünen Ohrensessel und fuhr mit der Hand über den rauen Wollstoff, bis die ersten zarten Gitarrenklänge ertönten. Er musste daran denken, dass er diesen Sessel im Elevator gekauft hatte, dem Secondhand-Laden der Heilsarmee.
    Er räusperte sich: »Robert hatte möglicherweise ein Verhältnis mit einem Mädchen, das wesentlicher jünger als er war. Was halten Sie davon?«
    »Was ich von Verhältnissen von jungen Frauen mit älteren Männern halte?« Sie lachte kurz, wurde in der dann entstehenden Pause aber rot. »Oder ob ich glaube, dass Robert eine Schwäche für Minderjährige hatte?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass sie das war, aber vielleicht achtzehn, neunzehn. Kroatin.«
    »Izgubila sam se . «
    »Wie bitte?«
    »Das ist Kroatisch. Oder Serbokroatisch. Als ich klein war, bevor die Heilsarmee den Østgård gekauft hat, sind wir im Sommer immer nach Dalmatien gefahren. Als Papa achtzehn war, ist er nach Jugoslawien gegangen, um beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg zu helfen. Er hat damals die Familien einiger Bauarbeiterkennengelernt. Deshalb hat er sich so dafür eingesetzt, Flüchtlinge aus Vukovar aufzunehmen.«
    »Apropos Østgård. Erinnern Sie sich an einen Mads Gilstrup, den Enkel des früheren Besitzers?«
    »Oh ja. In dem Sommer, in dem wir den Hof übernommen haben, war er ein paar Tage da. Ich habe nicht mit ihm gesprochen. Ich glaube, das hat keiner, er wirkte so wütend und verschlossen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch er Thea mochte.«
    »Wie kommen Sie darauf? Ich meine, wenn er doch mit keinem gesprochen hat?«
    »Ich habe gesehen, wie er sie angesehen hat. Und wenn wir mit Thea zusammen waren, stand er plötzlich einfach da. Ohne ein Wort zu sagen. Er machte einen ziemlich merkwürdigen Eindruck, fand ich. Fast ein bisschen unheimlich.«
    »Ja?«
    »Ja. Er hat damals bei den Nachbarn geschlafen, aber einmal habe ich ihn, glaube

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