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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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Taxi zu der Adresse in der Sorgenfrigata gefahren, hatte mit Martines Schlüsseln aufgesperrt und begonnen zu warten. Das Telefon hatte ein paarmal geklingelt, doch ansonsten war alles friedlich gewesen. Bis er dann so dumm gewesen war, an das Fenster eines hell erleuchteten Raumes zu treten.
    Er drehte sich um, um wieder ins Wohnzimmer zu gehen.
    Im gleichen Moment knallte es. Die Luft vibrierte, die Deckenlampe schwang leicht hin und her.
    »Mar-tine! «
    Er hörte die Person erneut Anlauf nehmen und so heftig gegen die Tür springen, dass sie sich fast nach innen bog.
    Martines Name war noch zweimal zu hören, gefolgt von zwei Schlägen. Dann hörte er Füße über die Treppe nach unten laufen.
    Er ging ins Wohnzimmer, stellte sich ans Fenster und sah den Mann nach draußen laufen. Als er anhielt, um die Wagentür aufzuschließen,fiel das Licht der Straßenlaterne auf ihn. Er erkannte ihn. Es war der Junge, der ihm im Obdachlosenheim geholfen hatte. Niclas, Ricard … irgend so was. Der Motor heulte auf, dann fuhr der Wagen rasch durch das winterliche Dunkel davon.
    Eine Stunde später schlief er und träumte von Landschaften, in denen er einmal gewesen war. Er wachte erst auf, als er Schritte hörte, gefolgt vom Geräusch der Zeitungen, die vor den Türen im Flur aufklatschten.
     
    *
     
    Um acht Uhr wachte Harry auf. Er öffnete die Augen und schnupperte an der Wolldecke, die halb über seinem Gesicht lag. Der Geruch erinnerte ihn an etwas. Dann schlug er sie zur Seite. Er hatte tief und traumlos geschlafen und war in einer seltsamen Stimmung. Aufgekratzt, fröhlich, beschwingt.
    Er ging in die Küche, setzte Kaffeewasser auf, wusch sich am Spülbecken das Gesicht und summte leise Jim Stärks »Morning Song«. Über dem niedrigen Hügel im Osten errötete der Himmel wie eine Jungfrau, und der letzte Stern war im Begriff zu verblassen und zu verschwinden. Eine geheimnisvolle, neue, unberührte Welt lag da draußen vor dem Küchenfenster und wellte sich weiß und optimistisch vor dem Horizont.
    Er schnitt sich ein paar Scheiben Brot ab, fand ein Stück Käse, goss sich Wasser ins Glas und dampfenden Kaffee in eine saubere Tasse, stellte alles auf ein Tablett und balancierte es ins Schlafzimmer.
    Ihre schwarzen, zerzausten Haare ragten nur wenig unter der Decke hervor, und sie atmete beinahe lautlos. Er stellte das Tablett auf das Nachtschränkchen, setzte sich auf die Bettkante und wartete.
    Der Duft des Kaffees breitete sich im Zimmer aus.
    Irgendwann wurde ihr Atem unruhig, und sie blinzelte. Sah ihn, rieb sich das Gesicht und streckte sich mit übertriebenen, schüchternen Bewegungen. Es war fast so, als drehte jemand einen Dimmer auf, das Licht, das aus ihren Augen strahlte, wurde immer heller, und auf ihren Lippen machte sich ein Lächeln breit.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »Guten Morgen.«
    »Frühstück?«
    »Hm. « Sie lächelte und lächelte. »Und du? Willst du nichts?« »Ich warte noch. Mir reicht erst einmal so eine, wenn das in Ordnung ist? « Er zog das Zigarettenpäckchen aus der Tasche. »Du rauchst viel«, sagte sie.
    »Das tue ich immer nach einem Rückfall. Nikotin dämpft die Sucht.«
    Sie probierte den Kaffee. »Ist das nicht paradox?«
    »Was?«
    »Dass ausgerechnet du Alkoholiker geworden bist, wo du doch solche Angst vor der Unfreiheit hast?«
    »Doch.« Er öffnete das Fenster, zündete sich die Zigarette an und legte sich neben sie ins Bett.
    »Hast du davor auch bei mir Angst?«, fragte sie und schmiegte sich an ihn. »Dass ich dich unfrei mache? Wolltest du … wolltest du deshalb nicht … mit mir schlafen?«
    »Nein, Martine.« Harry nahm einen Zug von der Zigarette, schnitt eine Grimasse und warf einen missbilligenden Blick darauf. »Nein. Ich wollte es nicht, weil du Angst hast.«
    Er bemerkte, dass sie erstarrte.
    »Ich habe Angst?«, fragte sie überrascht.
    »Ja. Und die hätte ich auch, wenn ich du wäre. Ich konnte noch nie richtig begreifen, wie Frauen es wagen, Bett und Haus mit Personen zu teilen, die ihnen körperlich hoffnungslos überlegen sind.« Er drückte die Zigarette auf dem Teller aus, der auf dem Nachtschränkchen stand. »So was würden Männer niemals tun.«
    »Wie kommst du darauf, dass ich Angst habe?«
    »Ich spüre es. Du übernimmst die Initiative und willst bestimmen. Aber in erster Linie, weil du Angst vor dem hast, was geschehen könnte, wenn du mir die Initiative überlässt. Das ist ja auch in Ordnung, aber ich will nicht, dass du das tust, wenn du

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