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Der Erl�ser

Titel: Der Erl�ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesb�
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    »Sorry. « Harry zog das stumme Handy aus der Tasche, beugte sich über sie und legte es auf das Nachtschränkchen. Doch es blieb hochkant liegen und tanzte ihm mit dem Display entgegen. Er versuchte es zu ignorieren, aber es war zu spät. Er hatte gesehen, dass es Beate war.
    »Scheiße«, murmelte er. »Einen Moment.«
    Er richtete sich auf, und während er Beate zuhörte, studierte er Martines Gesicht, die ihn ihrerseits musterte. Und ihr Gesicht war wie ein Spiegel, als würden sie ein Spiel spielen, bei dem man den Gesichtsausdruck seines Gegenübers nachahmen muss. Ohne sich selbst zu sehen, konnte Harry seine eigene Furcht, seinen Schmerz und zu guter Letzt seine Resignation auf ihrem Gesicht beobachten.
    »Was ist?«, fragte sie, als er aufgelegt hatte.
    »Er ist tot.«
    »Wer? «
    »Halvorsen. Er ist heute Nacht gestorben. Neun Minuten nach zwei. Während ich draußen an der Scheune war. «

 
     
     
    TEIL 4
    Gnade

 
    KAPITEL 29
    Dienstag, 22. Dezember. Der Kommandeur
     
     
    E s war der kürzeste Tag des Jahres, doch für Hauptkommissar Harry Hole machte dieser Tag schon am frühen Morgen den Eindruck, als wolle er nie enden.
    Nach der Todesnachricht ging er erst einmal einen Moment nach draußen. Lief durch den Tiefschnee zum Waldrand, setzte sich dort hin und sah zu, wie der Tag anbrach. In der vergeblichen Hoffnung, die Kälte würde die Empfindungen einfrieren, sie lindern oder ihn wenigstens betäuben.
    Dann ging er zurück. Martine sah ihn fragend an, sagte aber nichts. Er trank eine Tasse Kaffee, küsste sie auf die Wange und setzte sich ins Auto. Im Rückspiegel sah Martine noch kleiner aus, wie sie dort mit verschränkten Armen auf der Treppe stand.
    Harry fuhr nach Hause, nahm eine Dusche, zog sich um und blätterte dreimal den Papierstapel durch, der auf dem Wohnzimmertisch lag, ehe er verwundert aufgab. Zum x-ten Mal seit vorgestern wollte er auf die Uhr gucken, nur um wieder sein nacktes Handgelenk zu sehen. Er holte Møllers Uhr aus der Nachttischschublade. Sie ging noch immer, und so musste er vorerst mit ihr vorliebnehmen. Er fuhr ins Präsidium und parkte neben Hagens Audi in der Tiefgarage.
    Als er die Treppen zur sechsten Etage hochging, hörte er aus dem Atrium Stimmen, Schritte und Gelächter. Doch sowie die Tür des Morddezernats hinter ihm ins Schloss fiel, war es so, als hätte plötzlich jemand die Lautstärke heruntergedreht. Im Flur begegnete ihm ein Beamter, der ihn ansah, still den Kopf schüttelte und weiterging.
    »Hallo, Harry. «
    Er drehte sich um. Es war Toril Li. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie ihn jemals beim Vornamen genannt hätte.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie.
    Harry wollte antworten, machte den Mund auf, merkte aber plötzlich, dass er keine Stimme hatte.
    »Wir dachten, wir könnten uns nach der Morgenbesprechung zu einer Gedenkstunde versammeln«, fügte Toril Li rasch hinzu, um ihn zu retten.
    Harry nickte stumm und dankbar.
    »Kannst du vielleicht Beate anrufen?«
    »Natürlich.«
    Harry blieb vor seiner Bürotür stehen. Davor hatte ihm gegraut. Dann trat er ein.
    Auf Halvorsens Stuhl saß jemand, wippte leicht und schien auf ihn zu warten.
    »Guten Morgen, Harry«, sagte Gunnar Hagen.
    Harry hängte seine Jacke an die Garderobe, ohne zu antworten. »Tut mir leid«, sagte Hagen. »War dumm gesagt.«
    »Was wollen Sie? « Harry setzte sich.
    »Ihnen mein Mitgefühl aussprechen. Ich werde das auch noch in der Morgenbesprechung tun, aber ich wollte Ihnen das zuerst persönlich sagen. Jack war ja Ihr nächster Kollege.«
    »Halvorsen. «
    »Wie bitte?«
    Harry vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Wir haben ihn nur Halvorsen genannt.«
    Hagen nickte. »Halvorsen. Eines noch, Harry «
    »Ich dachte, ich hätte den Ausgabeschein zu Hause«, sagte Harry durch die Finger. »Aber der war wie vom Erdboden verschluckt.«
    »Ach, das « Hagen rutschte herum. Er schien sich auf dem Stuhl nicht wohlzufühlen. »An die Waffe hatte ich jetzt gar nicht gedacht. In Verbindung mit der Kürzung der Reisebudgets habe ich die Dienststelle gebeten, mir eine Liste aller Abrechnungen vorzulegen, damit ich sie abzeichnen kann. Dabei habe ich gesehen, dass Sie in Zagreb waren. Ich kann mich nicht daran erinnern, eine Auslandsreise genehmigt zu haben. Und wenn die norwegische Polizeidort Ermittlungen durchgeführt haben sollte, wäre das ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften.«
    Da hatten sie ihn endlich, dachte Harry, das Gesicht noch immer in den

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