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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ihm einen kritischen Blick zu.
    Appeltoft beruhigte sich. »Tut mir leid. Wenn Sie wüßten, wie sehr ich Sie beneide als ersten Menschen, der die Chance hat, dem Geheimnis der Zeit auf die Spur zu kommen … dem Geheimnis des Universums!«
    Tja, dachte File und musterte das schmale, angespannte Ge
    sicht des jungen Ministers, hätte ich seinen Eifer, wäre aus mir womöglich selbst ein Wissenschaftler geworden und kein Ver suchsobjekt, das sich durch Dilettantismus auszeichnet. »Dilettant«, brummte er.
    »Eh?« sagte Appeltoft. »Also los, fangen wir an.«
    File bestieg den Sessel. Kameralinsen blickten ihm über die Schultern. »Sie wissen, worauf Sie zu achten haben?« fragte Appeltoft.
    »Natürlich. Und was ich noch sagen will … Mir liegt genauso viel an der Sache wie Ihnen.«
    »Na schön. Die Anlage ist einsatzbereit. Schalten Sie den Hebel auf Start. Er wird am Ende der Reise automatisch auf Stop zurückspringen.«
    File gehorchte. Zunächst passierte gar nichts. Dann hatte er den Eindruck, als rotierten die durchscheinenden Stäbe, die er aus den Augenwinkeln gerade noch erkennen konnte, im Uhrzeigersinn, obwohl sie ihre Positionen beizubehalten schienen. Gleichzeitig war es, als kreise der Raum in entgegengesetzter Richtung – und zwar wiederum ohne Änderung seiner Position. File fühlte sich schwindlig, gerade so, als hätte er zuviel getrunken. Er konzentrierte seinen Blick auf den Tachometer. Er zählte in Minuten pro Minuten. Anderthalb, zwei …
    Mit einem seltsamen Flackern verschwand das Labor. Ein neutraler grauer Nebel umgab ihn. Orientieren konnte er sich nur noch anhand seines Empfindens.
    So spürte er die Rotation. Er wirbelte links im Kreis herum. Seine Drehachse wich zunehmend von der Vertikalen ab. Dabei empfand er einen immer stärker werdenden Impuls, den Sog auf ein unbekanntes Ziel.
    000001.146.15.0073. Die Ziffern huschten über die Anzeige, rechts in rasender Schnelle, links langsamer. 000002-3-4-5-6. Dann kam wieder der Schwindel, denn nun rotierte er in entgegengesetzter Richtung. Lichter blendeten ihn plötzlich.
    000010.000.00.0000.
    Bald hatten sich die Augen an das Licht gewöhnt, das in Wirklichkeit sehr schwach war. Er saß immer noch im Labor. Kein Mensch war zu sehen. Von der Decke runzelte Notbeleuchtung. Der Bau schien noch intakt zu sein; Anzeichen von Gewalt ließen sich nicht ausmachen. Trotzdem war er offenbar seit langem ungenutzt.
    File kletterte vom Sessel, ging zur Tür, öffnete sie mit dem Radioschlüssel, den er von Appeltoft bekommen hatte, und zog sie hinter sich zu. Er durchquerte den Korridor sowie verschiedene Abteilungen.
    Daß der gesamte Komplex innerhalb von nur zehn Jahren verlassen worden war … Etwas Ungeheuerliches mußte passiert sein.
    Natürlich. Deshalb war er ja hier. File runzelte die Stirn über seine eigene Begriffsstutzigkeit.
    Die Hochstraßen von Genf waren entvölkert. Zwischen den metallenen Fahrbahnkonstruktionen sah er die fernen Berggipfel hervorragen. Das übliche Großstadtgedröhn blieb aus. Ein Geräusch war zu hören, aber es klang gedämpft und unregelmäßig. Als er eine Zwischentrasse bestieg, entdeckte er eine oder zwei Gestalten. Noch nie hatte er so wenig Menschen gesehen. Am schnellsten würde er sich wohl in einer Bibliothek durch die Lektüre jüngerer Geschichtsaufzeichnungen Klarheit verschaffen können. Irgendeinen Hinweis fände er dort zumindest. Er erreichte ein Gebäude, das in dem mehrstufigen Straßennetz emporragte. Über dem Eingang hing ein großes, schwarzes Schild mit der Aufschrift:

    NUR FÜR MÄNNER

    Rätselnd betrat File die kühle, düstere Halle und näherte sich einem müden jungen Mann am Informationsschalter. »Entschuldigung«, sagte er. Erschrocken sprang er einen Schritt zurück, als der Mann ein kurzes Maschinengewehr
    hinter dem Schalter hervorholte und auf ihn zielte. »Was wollen Sie?«
    »Ich möchte einige Texte über die europäische Entwicklung während der letzten zehn Jahre einsehen«, antwortete File. Der junge Mann verzog seine dünnen Lippen zu einem Grinsen. Ohne das Gewehr zu senken, sagte er: »Entwicklung?« »Ich bin Student … und brauche lediglich ein paar Informationen.«
    Der andere legte die Waffe beiseite und drückte mit einer Hand die Tasten eines Indexsystems. Er zog zwei Karten heraus und reichte sie an File.
    »Fünfter Stock, Zimmer 543. Hier ist der Schlüssel. Schließen Sie die Tür hinter sich zu. Letzte Woche hat eine Weiberbande die Barrikaden

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