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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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er. »Sie scheinen aber bereits eine Entscheidung getroffen zu haben.« »Nein«, sagte Standen mit Nachdruck. »Wenn es so einfach wäre, gab’s unser Problem nicht. Wir haben es nicht mit zwei klar definierbaren Fronten zu tun, wobei man sich für die eine oder andere entscheidet. Es gibt mindestens drei oder vier, abgesehen von denen, die nur vage im Hintergrund auszumachen sind. Spekulationen darüber, welcher Seite wir uns anschließen sollten, sind außerdem überflüssig, solange wir nicht abschätzen können, welches Ergebnis dabei herausspringt. Die einzige Richtlinie für uns kann eigentlich nur die Erhaltung der Gemeinschaft sein. Aber vielleicht ist sie inzwischen so monströs geworden, daß ihre weitere Existenz grundsätzlich in Frage steht. Wir sind ratlos. Wir fürchten, wir können keinerlei Einfluß mehr auf die Entwicklung Europas ausüben.« Standon wandte den Blick von File ab und sagte nachdenklich: »Vielleicht darf ich folgendes hinzufügen: Wir sind nach unseren wochenlangen Beratungen zu der Ansicht gelangt, daß ähnliche Probleme von jeher das politische Handeln bestimmt haben. Allerdings besaßen die Staatsmänner in der Vergangenheit gewisse Spielräume, die ihnen die Illusion vermittelten, in ihren Entscheidungen frei zu sein. Diese Spielräume haben wir nicht; wir können uns über unsere Hilflosigkeit keine Illusionen machen. Deshalb erscheinen uns auch die Aussichten wesentlich bedrohlicher.«
    Er zuckte die Achseln. »Europa ist mittlerweile so massig geworden, daß es eine Anzahl von Atomexplosionen ohne ernste Störungen absorbieren könnte. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß jeder größere Konzern Zugriff zu diesen Waffen hat. Wie wir vermuten, besitzen selbst Minderheitengruppen Bomben mit kleiner Sprengkraft.«
    Für File wurde plötzlich klar, daß die Krisenberatung die Ebene praktischer Erwägungen überschritten hatte und in philosophische Bereiche vorgedrungen war. Es klang absurd, ließ sich aber nicht leugnen.
    Er schätzte die Vorsicht dieser sehr beherrschten Männer. Wie sie fürchtete er jede Form von Alleinherrschaft; doch durch die Geschichte war man vor hastigen Präventivmaßnahmen gewarnt. Cäsar war von seinen Gegnern ermordet worden, weil sie eine Tyrannei verhindern wollten, aber mit dieser törichten Tat hatten sie einer unvorstellbar viel schlimmeren Schreckensherrschaft Platz gemacht. File mußte den Ministern zustimmen: So etwas wie einen freien Willen gab es nicht, und ein Staat konnte nur dann regiert werden, wenn er übersichtlich genug war und nicht ständig aus den Gleisen zu fallen drohte. Er sagte: »Ich vermute, daß man alles getan hat, um die politische Lage zu analysieren. Kybernetik …«
    Standen schenkte ihm ein gnädiges Lächeln. »Alles ist getan worden.«
    Wie auf ein Stichwort meldete sich ein dritter Mann zu Wort. Appeltoft, ein Spezialist in Fragen für Wissenschaft und Technologie, war jünger und temperamentvoller als die anderen. Er wandte sich an File und sagte: »Unsere einzige Hoffnung liegt in der Offenlegung der Gesetze, die der Dynamik von Ereignissen zugrunde liegen. Das klingt vielleicht für ein so ernstes und praktisches Problem wie das unsere äußerst spekulativ, aber etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Um geeignete Maßnahmen in der Gegenwart treffen zu können, müssen wir zunächst einmal die Zukunft kennen. Und hier stellt sich unser Auftrag an Sie. Das Forschungszentrum in Genf hat es ermöglicht, einen Menschen ein paar Jahre in die Zukunft zu schicken und wieder zurückzuholen. Sie sollen einen Sprung von zehn Jahren machen, um Entwicklungen und Ergebnisse unserer Entscheidungen herauszufinden. Dann kehren Sie wieder zurück und berichten uns von Ihren Erkenntnissen. Wir werden diese Informationen nutzen, um angemessene Entscheidungen zu treffen und um einen wissenschaftlichen Zugang zur Analyse von geschichtlichen Abläufen zu gewinnen. Auf diese Weise hoffen wir, eine für alle Zeit gültige Regierungsform zu entwerfen, die den Gang der Menschheit von Zufällen befreit.« File war beeindruckt von der überraschenden, unkonventionellen Art, in der das Kabinett die Probleme zu lösen gedachte. »Sie werden sofort aufbrechen«, sagte Appeltoft, bevor sich File besinnen konnte. »Im Anschluß an diese Konferenz flie gen wir beide nach Genf, wo die Techniker mit einsatzbereiten Geräten auf uns warten.« Eine Spur von Enttäuschung kam in seiner Stimme zum Ausdruck. »Ich hätte den Auftrag gerne selbst

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