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Der Eroberer

Der Eroberer

Titel: Der Eroberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ausgeführt, aber …« Er zuckte die Achseln und richtete eine flüchtige Geste des Unmuts an seine Ministerkollegen. »Sie geben mir das Stichwort«, sagte File. »Warum haben Sie mich für das Unternehmen ausgesucht?«
    Die Minister blickten irritiert in die Runde. Strasser meldete sich zu Wort. »Der Grund liegt in Ihrer Ausbildung, Max«, meinte er zaghaft. »Unsere gegenwärtigen Schwierigkeiten wurden schon vor einer Generation in Ansätzen sichtbar. Die damalige Regierung beschloß, eine kleine Anzahl von Kindern nach einem neuartigen System zu erziehen. Man wollte unter gezieltem, pädagogischen Druck Personen heranbilden, die die Komplexität der modernen Zivilisation im Detail erfassen können. Das Experiment scheiterte. All Ihre Schulkameraden verloren den Verstand. Nur Sie blieben verschont, aber auch bei Ihnen stellte sich das gewünschte Ergebnis nicht ein. Um Ihnen eine möglicherweise noch ausstehende geistige Behinderung zu ersparen, löschte man per Hypnose alle Informationen, die in Sie hineingepreßt worden waren. Und so ist aus Ihnen geworden, was Sie nun sind: ein extremer Dilettant mit großer Neugier und ausgeprägter organisatorischer Begabung. Man gab Ihnen den Posten, den Sie immer noch besetzen, und hat Sie mehr oder weniger vergessen. Jetzt sind Sie der geeignete Mann für unser Vorhaben.«
    File war geschockt, um so mehr, als die eigenen argwöhnischen Vermutungen über seine Herkunft mit dem, was ihm nun eröffnet worden war, halbwegs übereinstimmten. Er riß sich zusammen, bevor er ins Grübeln kommen konnte, und meinte lediglich: »Ich bin als einziger also noch mal davongekommen, ja? Da frage ich mich nur, warum.«
    Standen musterte File mit festem Blick. Wieder schien ihn eine seltsame Gefühlsregung aufzuwühlen, ohne daß seine
    beherrschte Miene etwas davon verraten hätte.
    »Weil Sie eine besondere Veranlagung haben, File. Weil Sie die Fähigkeit haben, immer einen Ausweg zu finden.«

    Nachdenklich verließ File in Begleitung von Appeltoft das Gebäude. Der Wagen brachte sie zum nächsten Flughafen. Jetzt hatte er einen Aufhänger für seine Spekulationen. Der Ablauf der Zeit … Ja, darin war die Erklärung zu finden für das gigantische Phänomen, über das er auf dem Hinweg nachgedacht hatte.
    Er sah sich um und fand die Befürchtungen der Minister vollauf begründet.
    Nach der Bildung der Gemeinschaft, der jetzt alle europäischen Staaten angehörten, hatten die Kapazitäten des Kontinents in phantastischer Geschwindigkeit zugenommen. Die ökonomische Entwicklung war derart hochgeschraubt, daß die ganze Struktur nur mit Mühe aufrechterhalten werden konnte. Die Stützen waren immer massiver geworden, und die Gemeinschaft glich nun einem gefesselten, unbeweglichen Monstrum, das vor Energie brummte und dröhnte.
    Die architektonischen Versprechungen einer eleganten, gefälligen Konstruktionsweise, die das vorige Jahrhundert gemacht hatte, waren nicht eingelöst worden. Die Bauten, an denen der Wagen vorbeiglitt, versperrten in ihrer wagnerianischen Protzigkeit die Sonne.
    Er wandte sich an Appeltoft. »In einer Stunde werde ich also zehn Jahre älter sein. Eine verrückte Vorstellung.«
    Appeltoft lachte gekünstelt, als wollte er zeigen, daß er dem Paradox eine humorvolle Note abgewinnen konnte.
    »Aber sagen Sie mir«, fuhr File fort, »wie paßt es zusammen, daß Sie über das Wesen der Zeit nichts wissen und trotzdem in ihr manövrieren können?«
    »Das Wesen der Zeit ist uns gar nicht so unbekannt; nur über ihre Struktur und Organisation sind wir im unklaren«, antwor tete Appeltoft. »Das Wissen, das uns die Zeitreise ermöglicht, läßt darüber keinen Aufschluß zu … Im Gegenteil: Den Berechnungen zufolge gibt es keine zeitliche Abfolge, was schlechterdings unmöglich ist.«
    Appeltoft stockte. Sein Verhalten, so erriet Fiele, zeugte von der Enttäuschung, nicht der erste Zeitreisende zu sein, obwohl er sich bemühte, dieses Gefühl zu verhehlen. File konnte es ihm nachempfinden. Wenn man fanatisch für eine Sache gearbeitet hat, muß es frustrierend sein, einen Fremden die Früchte dieser Arbeit ernten zu sehen.
    »Zwei Theorien liegen vor«, sagte Appeltoft schließlich. »Die erste, der ich am ehesten zustimme, entstammt der allgemeinen Erfahrung: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden eine unendliche, kontinuierliche Linie, auf der alle Ereignisse eine definierte Stelle einnehmen. Leider läßt sich diese Vorstellung nicht mathematisch umsetzen.
    Die

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