Der Eroberer
zum Gehen.
»Nein, bleib. Diese dummen Tränen … « Ceidre brachte ein dünnes Lächeln zustande. »Heißt du nicht Maude?«
»Ja.« Sie errötete tiefer und warf ängstliche Blicke über die Schulter. »Dein Bruder Morcar will dich sehen.«
Ceidre schnappte hörbar nach Luft. »Was?«
Maude lächelte. »Ich bin seine Freundin«, gestand sie stolz und verschämt zugleich. »Und ich helfe ihm im Kampf gegen die normannischen Hunde! Ich habe ihm gleich von deiner Ankunft berichtet. Ich gebe ihm Nachricht über alles, was ich hier in York beobachte«, fügte sie eifrig hinzu. »Er hat mich wissen lassen, dass sein Freund Albie dich sechs Meilen nördlich von hier erwartet, am Fluss Wade an der Weggabelung. Er bringt dich zu ihm.«
Ceidre drückte Maude aufgeregt und dankbar die Hand. »Du bist ein gutes Mädchen«, sagte sie und musterte sie.
»Wie alt bist du?«
»Vierzehn … in einem Monat«, antwortete Maude und reckte das Kinn.
Ceidre wollte Morcar tüchtig ihre Meinung sagen. Wieso musste er, dem die Frauen in Scharen nachliefen' mit einem Kind anbändeln, auch wenn sie noch so hübsch und drall war! »Danke dir, Maude. Das werde ich dir nicht vergessen.«
Maude lächelte. »Grüß Morcar schön von mir.« Sie errötete wieder.
»Bitte Edwin, ändere deine Pläne!«
Edwin sah sie traurig an. »Ich kann nicht, Ceidre.«
»Diesmal werdet ihr geschlagen! Die Normannen haben überall Spitzel. Das hat er mir selbst gesagt! Sie wissen, wo Hereward sich versteckt! Ebenso gut können sie euer Versteck herausfinden!«
»Auch ich habe überall Spitzel, Ceidre.«
»Es ist zu früh! Kannst du dein Vorhaben nicht wenigstens verschieben? Ihr werdet besiegt, vielleicht sogar getötet! Edwin, bitte! Denk darüber nach!
Morcar beobachtete sie mit verschränkten Armen. »Was ist mit dir, Ceidre? Wieso bist du so erregt? Hat er dir aufgetragen, uns unsere Pläne auszureden?«
»Nein!«
»Wenn ja«, fuhr Morcar, fort, »so tut er es nur, weil ihm nichts lieber wäre, als Aelfgar auf dem Silbertablett überreicht zu bekommen! «
»Er hat mich nicht geschickt«, entrüstete sie sich.
»Hat er dir weh getan?« fragte Edwin und sah sie nachdenklich an.
Sie errötete. »Nein, hat er nicht.«
»Du hast deine Sache gut gemacht, Schwester«, fuhr er anerkennend fort. »Anscheinend vertraut er dir wirklich, sonst hätte er dir nichts von seinen Plänen und von Hereward Versteck gesagt.«
»Dann … hat er nicht gelogen? Ist Hereward tatsächlich in der Nähe von Cavlidockk?«
»Ja.«
Tief im Herzen hatte Ceidre befürchtet, der Normanne habe ihr Spiel durchschaut und ihr eine falsche Auskunft gegeben. Doch er hatte nicht gelogen, und das bedeutete, er vertraute ihr. O Gott, wie sehr sie sich verabscheute und diesen gottverdammten Krieg dazu!
Edwin nahm sie bei den Schultern. »Liegt dir etwas an ihm?« Seine Stimme war dunkel.
Sie schüttelte heftig den Kopf, doch ihre Tränen vermochte sie nicht zurückzuhalten.
»Natürlich liegt ihr nichts an dem Normannenhund!« ereiferte Morcar sich und seine blauen Augen blitzten zornig.
»Im Krieg«, fuhr Edwin fort, ohne den Ausbruch seines jüngeren Bruders zu beachten, »sind wir alle gezwungen, Dinge zu tun, die wir verabscheuen. Die Zeit des Krieges ist eine unselige und grausame Zeit.«
Ceidre schluckte schwer. »Ich weiß«, sagte sie mit belegter Stimme und schlang die Arme um ihn.
»Seinen Feind zu lieben ist wohl die grausamste von allen Widrigkeiten.«
Sie blinzelte heftig. »Ich liebe ihn nicht.«
»Hast du Isolda gesehen?«
Ceidre zuckte zusammen. Isolda war Wilhelms Tochter, die nach der Schlacht von Hastings Edwin versprochen worden war, dann aber einen Vasallen des Königs geheiratet hatte. »Nein.«
»Ich hörte, sie hält sich mit ihrem Gemahl in York auf. Sie soll schwanger sein -zum zweiten Mal. «
Er sah sie fragend an.
Ceidre erinnerte sich, wie wütend Edwin damals gewesen war, als Wilhelm sein Versprechen gebrochen hatte, ihm seine Tochter zur Braut zu geben. Nie aber hätte sie vermutet, dass Edwin an Isolda gelegen war. Allerdings hieß es, sie sei eine blonde Schönheit von hohem Wuchs und königlicher Haltung. »Ich erkundige mich«, versprach Ceidre.
»Nicht nötig«, entgegnete er. »Einst war sie wichtig … doch das ist lange her.« Er machte eine Pause. »Wichtig ist einzig und allein Aelfgar. Ich werde nicht eher ruhen, bis ich meinen Besitz zurückerobert habe. Dafür brauche ich dich, Ceidre.«
Ceidre war, als müsse ihr das
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