Der Eroberer
überall«, knirschte Wilhelm.
»Ja, überall«, wiederholte Rolfe tonlos. Verraten.
Ihm war so übel, dass er fürchtete, sich jeden Moment übergeben zu müssen, wie ein Grünschnabel nach seiner ersten Schlacht. Und plötzlich würgte er und übergab sich tatsächlich.
Kapitel 53
Er war zurück!
In die Garnison kam Leben, als die Kunde sich ver-breitete, dass Wilhelm und seine Soldaten durch die Stadt ritten.
Ceidre wäre am liebsten losgerannt, um Rolfe im äußeren Burghof in die Arme zu sinken. Die Höflichkeit gebot ihr jedoch, im Zelt auf ihn zu warten, wo sie unruhig hin und her wanderte. Es war nicht zu leugnen – sie hatte sich nach ihm gesehnt! Zugleich aber sah sie seiner Wiederkehr bang entgegen, fürchtete, ihr schlechtes Gewissen würde sie verraten. War es Hereward gelungen, seinen Angreifern zu entkommen? Und an erster Stelle stand die angstvolle Frage: War Rolfe unverletzt?
Die Zeltklappe wurde zurückgeschlagen.
Rolfe stand im Eingang, von der Sonne von hinten beleuchtet. Ceidre sah nur die Silhouette seiner breitschultrigen, hochgewachsenen Gestalt. »Mylord?« hauchte sie. Die gespannte Unruhe war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Er trat ein, die Klappe fiel hinter ihm hinab. Sein Gesicht war wie aus Stein, seine Augen eiskalte Schlitze. Ceidre schrak innerlich zusammen. »Was … was ist geschehen?«
Er starrte sie an, sein Mund ein gerader Strich. »Was geschehen ist? Wir gerieten südlich von Cavlidockk in einen Hinterhalt.«
Ceidres Augen weiteten sich. »In einen Hinterhalt!«
Rolfes Kiefer mahlten. »Wenigstens wusstest du davon nichts!« stieß er zähneknirschend hervor.
Ceidres Hand flog an ihr bebendes Herz. Sie trat einen Schritt zurück. »Was meinst du damit?«
Er trat einen Schritt vor. »Weißt du nicht, was ich meine, Ceidre?«
»Nein«, antwortete sie mit furchtsamer, dünner Stimme.
»Die Wahrheit! Sag mir die Wahrheit, Ceidre!«
»Ich weiß nicht … « Sie stockte, Tränen füllten ihre Augen.
Er packte sie und rüttelte sie grob. »Hast du mich verraten? Hast du es getan? Du wusstest, dass wir nach Cavlidockk wollten! War ich ein Narr, dir zu vertrauen? Antworte mir!«
Ihre Tränen quollen über. Sie schüttelte hilflos den Kopf, wollte ihm widersprechen, leugnen, doch ihr fehlten die Worte. Sie war voller Schuldbewusstsein und konnte es nicht verbergen. Plötzlich stieß er sie grob von sich und warf sie auf die Pritsche.
»Du warst es!« brüllte er. »Ich lese es in deinen Augen. Antworte mir!« schrie er zornentbrannt, rot im Gesicht, mit flammenden Augen, die Sehnen am Hals hart wie Eisenbänder; seine geballten Fäuste zitterten.
Sie schlug ihre bebenden Hände vor den Mund. »Ich musste es tun«, stammelte sie schluchzend. »Versteh doch, ich musste es tun! «
Er starrte sie entgeistert an.
Erst jetzt wurde ihr klar, dass er seinen Verdacht nicht wahrhaben wollte, dass sie ihn möglicherweise von ihrer Unschuld hätte überzeugen können, doch nun konnte sie ihr Geständnis nicht wieder zurücknehmen. Sie hob ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht entgegen. »Aber du bist wenigstens gesund«, sagte sie. »Es ist kein Schaden angerichtet, niemand … «
»Kein Schaden angerichtet! Ein Dutzend meiner Männer ist tot … deine Schuld!«
Sie schrie entsetzt auf.
Mit wutverzerrtem Gesicht beugte er sich vor und zog sie an den Schultern hoch. »Du bist ein verlogenes, heimtückisches Frauenzimmer. Spielst mir die leidenschaftliche Geliebte vor, während du hinterhältig planst, mich zu verraten, und nur auf eine günstige Gelegenheit wartest! «
Sie machte den Mund auf, um zu widersprechen und fand doch keine Worte, denn seine Anschuldigungen entsprachen der Wahrheit.
Er riss sie gewaltsam auf die Füße und zerrte sie aus dem Zelt. »Wohin bringst du mich?« japste sie.
Er blieb ihr die Antwort schuldig. Sein Gesicht war kalt entschlossen. Ceidre bekam Todesangst.
Als ihr klar wurde, dass er sie in die Festung bringen wollte, wehrte sie sich. »Was hast du vor?« rief sie.
Zornentbrannt hob er die Hand, um sie zu schlagen. Ceidre schrie auf. Der Schlag kam nicht. Nur der Griff um ihren Arm festigte sich zur Eisenklammer. »Ich schleife dich an den Haaren, wenn du dich nicht fügst«, knirschte er zwischen den Zähnen und riss sie mit sich.
Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Er konnte nicht tun, was sie befürchtete Die große Halle war voll mit Rittern. Viele saßen an dem Hochtisch, dreimal so groß wie der in Aelfgar. Rolfe
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