Der Eroberer
habe ihr Märchen des Glücks ein jähes Ende gefunden. Sie musste Näheres erfahren und hoffte inständig, die Normannen würden gegen schottische Eindringlinge in den Krieg ziehen und nicht gegen die sächsischen Rebellen.
Sie verbrachte den Tag damit, durch die Stadt zu schlendern und beiläufig Erkundigungen einzuziehen. Die Frauen, denen sie begegnete, gaben ihr, der Sächsin, gern Auskunft. Eine Bäckersfrau meinte, die Dänen planten eine neuerliche Invasion. Wilhelms Heer wolle zur Küste ziehen und die Dänen ins Meer jagen. Eine Fischersfrau erzählte Ceidre, König Wilhelm schäume vor Wut über einen Hinterhalt vor zwei Wochen, in dem er einen seiner besten Anführer verloren hatte. Er habe vor, mit seinen Truppen das Grenzland zu durchkämmen, bis er die Rebellen gefasst habe, und wolle jeden einzelnen an den Galgen bringen. Eine Schankwirtin erzählte ihr, Hereward der Wache halte sich in der Nähe versteckt; er sei das Ziel des Eroberers. Und wieder eine andere erzählte ihr, das Versteck der rebellischen Brüder Edwin und Morcar sei ausfindig gemacht worden und Wilhelm habe vor, sie zu überfallen und gefangen zu nehmen.
Die letzte Nachricht verursachte Ceidre Magengrimmen.
Sie kaufte Fleischpasteten und duftende, reife Pflaumen von einem Straßenhändler und machte sich auf den Rückweg in die Burgmauern. Nach der Zerstörung während des letzten Überfalls war der Wall teils aus Holz, teils aus Stein wieder aufgebaut worden. Ceidre wurde durch das äußere Tor eingelassen, nachdem sie vom Wächter nach ihrem Begehr gefragt worden war und geantwortet hatte, sie sei im Tross von Rolfe von Warenne gekommen.
Die zotigen Bemerkungen überhörte sie geflissentlich. Als sie die zweite Zugbrücke überqueren wollte, wurden ihr die gleichen Fragen gestellt. Und diesmal musste sie warten, bis Beltain auftauchte und für sie bürgte. Das schwere, mit Eisenspitzen versehene Fallgitter schlug krachend hinter ihr zu.
Rolfe war noch nicht ins Zelt zurückgekehrt. Ceidre gab einem herumlungernden Gassenbuben ein paar Münzen, um ihr Wasser zu holen, und wusch sich von Kopf bis Fuß mit Schwamm und Seife. Sie wechselte die Kleidung, aß ein paar Bissen von dem gekauften Obst und der Pastete und ging rastlos im Zelt auf und ab. Die Dämmerung brach herein dann wurde es dunkel. Er war offenbar zum Nachtmahl mit Wilhelm in der Festung geblieben, dachte Ceidre trübsinnig. Er hatte ihre Gegenwart vergessen, kümmerte sich nicht um sie. Dann schalt sie sich töricht, sich im Stich gelassen zu fühlen. Sie hatte beileibe nicht den Wunsch, in der großen Halle mit dem König zu speisen.
Im Übrigen, wie sollte Rolfe seinem Lehensherrn ihre Gegenwart erklären? Und das müsste er tun, denn Wilhelm würde ihn genauestens befragen. Ihr Auftreten an seiner Seite würde zumindest üble Nachrede, wenn nicht einen handfesten Skandal hervorrufen.
Gegen Mitternacht betrat er das Zelt. Sein scharfkantiges Gesicht erhellte sich im Schein der Fackel bei ihrem Anblick. »Verzeih, mein Schatz«, lächelte er, und Ceidre schmolz dahin.
Er hatte die Fackel noch nicht in die Erde getriebenen Halter gesteckt, als sie ihn schon stürmisch umarmte und seine Lippen suchte. Ein erstaunter Laut entfuhr ihm, ehe er ihren Kuss, mit gleicher Leidenschaft erwiderte. »Eine solche Begrüßung lobe ich mir!« sagte er etwas später heiser.
»Nimm mich jetzt«, forderte sie hitzig, hielt sein Gesicht in beiden Händen und küsste ihn wieder, tauchte ihre Zunge tief in seine Mundhöhle.
Er warf sie auf die Pritsche und nahm sie gierig und grob, und obwohl Ceidre körperliche Erleichterung fand, war sie nicht gesättigt, drohte an ihrer Angst und Unruhe zu ersticken. Sie umschlang ihn mit Armen und Beinen, konnte sich nicht eng genug an ihn schmiegen.
Er liebkoste sie träge, dann lachte er leise. »Wie ich sehe, habe ich dir gefehlt«, scherzte er.
Sie sah ihn nicht an, fürchtete, in Tränen auszubrechen. »Du fehlst mir immer, wenn wir nicht zusammen sind«, sagte sie gepresst.
Er schwieg, sie spürte seinen schnellen Herzschlag unter ihrer flachen Hand. Er streichelte ihr Haar. »Ist das wahr?
« fragte er und küsste ihren Scheitel.
»Ja«, antwortete sie und stellte erstaunt fest, dass ihr ja aus tiefstem Herzen kam.
»Ich habe heute auch an dich gedacht«, gestand er, schlang beide Arme um sie und hielt sie fest. »Hast du gegessen, Schatz? Bist du hungrig? Ich lasse Essen und Wein bringen. «
»Ich habe gegessen«, sagte Ceidre
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