Der erotische Fremde
behalten."
„Mit Verlaub, Exzellenz, ganz sicher nicht."
„Dann steigen Sie in den Zug und nehmen Sie ihm die Rose ab."
„Ich habe einen Helikopter hier, Exzellenz. Wir werden in Lyon zusteigen."
Mariel saß auf dem Klodeckel, Fred trocknete sich die Hände ab.
„Meinst du, wir sind für den Rest der Fahrt sicher?" fragte sie.
Fred schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich kontrollieren sie nach Lyon noch einmal alle Tickets.
Aber wir müssen sowieso vorher etwas unternehmen, für den Fall, dass sie ihren Plan ändern und in Lyon aussteigen."
Sie brauchte nicht zu fragen, wen er meinte. Es war klar, dass die beiden Männer und das, was immer sie in der geheimnisvollen roten Tasche herumtragen mochten, Fred nicht aus dem Kopf gegangen war, seit sie Paris verlassen hatten.
„Emma, was hast du gestern Abend in Michel Verduns Büro gemacht? Für wen arbeitest du?"
Der Augenblick war gekommen, vor dem sie sich die ganze Zeit gefürchtet hatte. „Ich dachte, wir hätten ausgemacht, dass wir über solche Dinge nicht sprechen."
„Ich muss Bescheid wissen. Zu viel steht auf dem Spiel."
„Für mich auch", erklärte sie.
Er nickte. „Was genau?"
Wenn sie einander doch vertrauen könnten. Sie wollte sicher sein, dass sie nicht zu gegensätzlichen Lagern gehörten.
„Sag mir eines", erwiderte sie auf seine Frage. „Ist das, von dem du glaubst, die Männer hätten es gestohlen, zufällig so etwas wie ein Industriegeheimnis?"
„Nein." Er verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Brauen zusammen. „Ist das dein Job?
Industriespionage?"
„Bist du in irgendeiner Weise an der Weitergabe von technolo gischem Wissen interessiert oder beteiligt?
„Nein. Ich habe absolut kein Interesse an Industriespionage. Weder am Diebstahl noch an der Weitergabe von technologischem Wissen. Ist Verdun auch an solchen Geschäften beteiligt?"
Es klang, als hielte er Verdun zu allem fähig. Mariel lachte. Sie hatte das Gefühl, Fred jetzt ein bisschen mehr trauen zu können.
„Ich arbeite für jemanden, dessen Forschungsergebnisse routinemäßig gestohlen und an Regierungen im Ausland weiterverkauft werden. Wir versuchen, die undichte Stelle zu finden."
Fred nickte stumm. Hoffentlich war das wirklich die Wahrheit. Aber einiges sprach dagegen.
„Warum hast du, als wir uns in Verduns Büro begegneten, gerufen: ,Sie sind es?'"
Verlegen kaute sie an ihrer Unterlippe. „Weil ich gerade ein Foto von dir betrachtet hatte. Jemand hatte es per E-Mail an Verdun geschickt."
„Und stand mein Name dabei?" fragte er scharf.
„Den Text konnte ich nicht lesen, er war verschlüsselt."
Wenn ich doch in ihr Herz blicken könnte, dachte Haroun.
„Jetzt bist du dran."
Fred blickte sie so durchdringend an, dass sie erschauerte.
„Die beiden Männer, die du im Zug wieder erkannt hast, haben einen wertvollen Ring in ihrer Tasche, ein Erbstück meiner Familie." Sie sah so enttäuscht aus, dass er fast lachen musste. „Aber es ist viel mehr als nur ein Schmuckstück, viel mehr als nur ein Familienerbstück. Es hat für viele Menschen einen tiefen symbolischen Wert. Wenn es diesen Männern gelingt, den Ring an die Person zu übergeben, die sie dafür angeheuert hat, ihn zu stehlen, dann ist er, und mit ihm noch viel mehr, vielleicht für immer verloren. Ich habe jetzt die einmalige Chance, ihn diesen Männern wieder abzunehmen, bevor sie den Zug verlassen, das heißt, bevor wir Lyon erreichen, da ich nicht sicher sein kann, wie lange sie im Zug bleiben. Das Leben und das Glück vieler Menschen hängt davon ab. Ich brauche deine Hilfe, Emma. Wirst du mir helfen?"
Mariel war wie betäubt. „Aber ... aber wie ?"
„Es wird nicht einfach werden", gab Fred zu. „Es ist ein großer Nachteil, kein Geld zu haben, und auch noch so auffällig angezogen zu sein. Aber wir haben auch einen Trumpf - ich weiß den Namen von einem dieser Männer."
„Oh."
„Und das ist mein Plan: Kurz vor Lyon werde ich zu dem Gepäcklager bei den Männern gehen und darin herumstöbern, als ob ich mein Gepäck suchen würde. Kurz darauf kommst du den Mit telgang entlang, scheinst plötzlich Ramiz wieder zu erkennen und rufst ihn beim Namen. Ramiz Bahrami. Er ist der mit der Narbe. Dann fängst du an, eine Szene zu machen, wirfst ihm vor, er habe dich verlassen oder so etwas. Meinst du, du kannst das?"
„Du meinst, ich soll ihn fragen, warum er mich geschwängert und dann allein gelassen hat?"
„Es würde dir nichts ausmachen, so etwas vor einem
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