Der erotische Fremde
dass Verdun jede Woche die E-Mails seiner Angestellten kontrollierte. Falls das der Fall war, würde er jedoch niemals irgendeinen Hinweis auf ihre nächtlichen Aktivitäten finden. Sie schaltete sein Überwachungsprogramm nämlich einfach aus, wenn sie etwas tat, von dem sie nicht wollte, dass es gespeichert wurde.
Genau das tat sie auch jetzt, und dann schickte sie den Inhalt der ZIP-Diskette an Hals Adresse.
Anschließend löschte sie alle Daten, die mit dieser Transaktion zusammenhingen, und schaltete das Überwachungsprogramm wieder ein.
Die ZIP-Diskette löschte sie komplett und legte sie in die Schublade. Danach ging sie zurück zu Verduns Büro. Endlich war der Ausdruck fertig.
Mariel nahm das Blatt aus dem Drucker. Wieder schien ihr Verstand stillzustehen, als ihr Blick über dieses Bild perfekter männlicher Schönheit glitt. Was für ein überlegenes, bezwingendes Lächeln; was für Augen! Wer war er?
Schließlich schaltete Mariel seufzend das Licht aus, öffnete die Tür und verließ den Raum.
Der Mann, der wenige Meter von ihr entfernt im Halbdunkel stand, war genauso überrascht wie sie.
Sekundenlang standen sie wie erstarrt da.
„Sie sind es!" flüsterte Mariel, während ihr war, als würde die ganze Welt um sie herum aus den Fugen geraten.
In Fleisch und Blut sah er noch fantastischer aus.
Der Mann, dessen Foto sie gerade aus dem Drucker genommen hatte.
2. KAPITEL
Haroun al Muntazir verfluchte sich insgeheim für seinen Leichtsinn. Ashraf hatte Recht, er war zu draufgängerisch. In ein Büro einzubrechen, wenn sich noch jemand darin befand, das machten nur blutige Anfänger.
Aber diese Frau, sie war ihm ein Rätsel. Die leuchtend rotblonde Perücke, der ultrakurze Minirock und diese hochhackigen Stiefel hätten eigentlich keinen Zweifel darüber lassen dürfen, welcher Zunft sie angehörte, selbst wenn sie nicht so sexy gewesen wäre, dass er am liebsten auf der Stelle nach ihrem Preis gefragt hätte. Aber was tat sie in Michel Verduns Büro? Kam Verdun nachts in sein Büro, um außerehelichen Leidenschaften zu frönen?
Hieß das, dass er dort drinnen war? Verdammt! Was für ein Pech!
Da fiel ihm ein, was sie gerade gesagt hatte: „Sie sind es!" Was hatte das zu bedeuten? War das der Trick einer Professionellen, ihren Kunden einzureden, er sei der Mann ihrer Träume?
Das wiederum würde bedeuten, dass sie ihren nächsten Kunden nicht persönlich kannte. Vielleicht glaubte sie, er sei der Mann, der sie gebucht hatte.
Mit der für ihn typischen Kühnheit beschloss er, zu bluffen, um hier vielleicht doch noch heil herauskommen.
„Ja, ich bin das", erwiderte er. „Wissen Sie Bescheid?"
Sie verzog die vollen Lippen, und ihr roter Mund wirkte dabei wie eine exotische Blüte.
Harouns Blut begann zu kochen.
Ganz langsam und ruhig faltete Mariel das Blatt Papier in ih rer Hand zusammen, um das Bild zu verbergen. Wie war er hereingekommen? Ihr Verstand arbeitete fieberhaft. Hatte Michel Verdun ihm einen Schlüssel gegeben? War das Foto geschickt worden, damit Verdun ihn identifizieren konnte?
Hieß das, Verdun wusste, dass er kommen würde?
Und seine Frage, bedeutete sie, dass dieser Mann annahm, sie sei die Kontaktperson, die er treffen sollte? Mariel hatte völlig vergessen, in welcher Aufmachung sie hierher gekommen war und wie sie auf ihn wirken musste.
„Nein. Äh ... ich bin in letzter Minute eingesprungen", stammelte sie. „Michel... ist krank. Wenn Sie die Informationen also mir geben würden ..."
Haroun unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Das Schicksal war ihm doch gnädig gesonnen.
Das Mädchen, das Verdun normalerweise zur Verfügung stand, Michelle, war also krank, und ihre Vertretung musste eingewiesen werden. Nun, er würde das mit Freuden tun, aber das Wichtigste war, dass sie von hier wegkamen, bevor Verdun kam.
„In meinem Wagen", sagte er und sah auf seine Armbanduhr, damit sie verstand, dass seine Zeit kostbar war.
Mariel fühlte ein tiefes Bedauern darüber, dass das Gesicht, in das sie sich verliebt hatte, jemandem vom Schlage eines Michel Verdun gehörte. Aber dann gewann ihr Verstand die Oberhand, und sie fragte sich, ob dieser Mann zu Verduns Lieferanten oder zu seinen Kunden gehörte. Mit etwas Glück könnte sie vielleicht ein paar interessante Informationen aus ihm herausbekommen. Damit hätte sie ihre Tätigkeit für ihren Cousin Hai zu einem guten Abschluss gebracht. Denn mit dem heutigen Abend war ihr Job bei „Michel Verdun et
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