Der erpresste Erpresser
Wie eben bei den
Tretmühlen — nur du, Karl, bleibst übrig.“
„Ist völlig in Ordnung“, nickte der.
„Soll ich also rein und ausspähen? Gut! Vielleicht sollte ich den hinteren
Eingang benutzen. Das Chianti-Haus hat nämlich zwei. Aber auf der anderen Seite
— an der Lortzen-Allee — ist kein Parkplatz.“ Er sah in sein Portemonnaie. Das
Geld reichte für eine Kleinigkeit im Restaurant. Wegen des unnötigen Umwegs
ging er dann doch durch den Haupteingang.
Tim, Gaby und Klößchen zogen sich ein
Stück zurück in die nächste Querstraße und holten ihre Geduld hervor.
18. Der ,Mörder’ Fabian
Nachmittags wurde das Chianti-Haus auch
von Jugendlichen besucht. Wegen der Torten und Eisbecher. Heute freilich war
Karl der einzige unter 18 Jahren. Auch ansonsten gähnte aus allen Räumen die
Leere.
Karl schnürte suchend umher, kam am hinteren
Raum vorbei und sah Tückl.
Der Zombie saß bei zwei Italienern am
Tisch, die Wein tranken aus großen Karaffen.
Der eine sah aus wie ein Seeräuber mit
seinem schwarzen Hufeisenbart, der andere wie ein bewegungsarmer Gorilla,
nämlich vollgefuttert. Der Pirat hatte viel Gold an den Händen, der andere
schwitzte.
Tückl redete ein auf die beiden, aber
sehr gedämpft. Um mitzuhören, hätte Karl sich daneben stellen müssen. Und das
wäre aufgef allen.
Der angrenzende Raum war groß und leer.
Fast leer.
Karl entdeckte den Falschgeld-Geier.
Weit genug entfernt von den dreien, saß
der in einer Ecke, allerdings so hingewendet, daß er das Objekt seiner
Beschattung im Auge behielt.
Ein Zweiertisch. Karl ließ sich nieder
und griff nach der Karte. Ein Kellner in roter Weste schlurfte vorbei. Beim
Geier machte er Männchen.
„Buon giorno, Signore Behnke. Wir haben
vorzügliche Torte heute. Oder lieber della birra? Kommt presto. Si.“
Behnke — notierte Karl in Gedanken.
Jetzt hatte der Geier einen Namen.
Der Kellner kam auch zu Karl, und der
bestellte einen kleinen Eisbecher mit Früchten.
Tückl redete noch immer mit Händen und
Füßen, und die beiden Italiener waren ganz Ohr.
*
Ob Karl eine Neuigkeit bringt?
überlegte Tim. Es müßte mit dem Teufel zugehen. Was soll da drin schon
passieren? Sigi und der Geier interessieren sich für Tückl. Das wissen wir
schon. Und sonst? Langsam! Manchmal sind’s die versteckten Hinweise, die einem
weiterhelfen. Und Karl entgeht nichts — falls er nicht gerade seine Brille
putzt.
Doch beinahe wäre ihm, Tim, was
entgangen.
Er saß auf dem Rennrad, einen Fuß
unten, den Blick auf Gaby gerichtet — denn sattsehen an ihr konnte er sich nie.
Klößchen hatte Schokolade hervorgeholt
und beschloß, sich zu stärken.
Gaby hielt ihr Rad in Schräglage,
stützte sich mit der Hüfte gegen den Sattel und blickte zum Chianti-Haus, wo
eben ein Taxi hielt, den Fahrgast entließ und dann weiterfuhr.
Der Fahrgast hatte sein Jackett überm
Arm gehalten und zog es jetzt an.
„Uiiih!“ quietschte Gaby. „Wen haben
wir denn da!“
Die Jungs peilten.
Tims Nackenhaare bürstelten.
Kein Zweifel! Das war er, der vermeintliche
Leichen-Beseitiger. Schlank, braunes Haar, Drei-Tage-Bart. Der Mann trug einen
zerknautschten Leinenanzug und weißlederne Slipper. „Fabian!“ sagte Gaby. „Der
Schauspieler.“
„Verdammt!“ knurrte Tim. „Den
Zusammenhang kriege ich nicht auf die Reihe. Tückl ist drin. Der Mörder vom
Foto kommt. Der Geier-Typ beschattet. Wenn nun noch unsere Helena auftaucht,
dann steckt was ganz Tolles dahinter. Nämlich dies: Sie haben sich zum Essen
verabredet.“
„So harmlos ist das nicht“, sagte Gaby.
„Ich wünschte, es wäre so. Weil mir Helena leid tut. Ich finde sie irre
sympathisch. Wäre doch ein Jammer, wenn eine so nette Frau in ein Verbrechen
verstrickt ist.“
„Sie ist ja nur das Opfer“, mümmelte
Klößchen durch seine Schokolade, „die Leiche nämlich.“
„Blödmann!“ sagte Gaby.
Klößchen nahm das hin und meinte, auch
ihm habe Helena gefallen.
„Sie hat sowas... äh...
Damenhaft-rassiges und dazu tierliebe Mütterlichkeit.“
„Großartig charakterisiert, Willi“,
spottete Gaby.
„Mir gefällt“, sagte Tim, „daß sie
Karate trainiert hat. Pfote, hast du das Foto noch?“
Gaby klopfte auf die Seitentasche an
ihrem Jeans-Kleid. „Das kann nicht raus. Die Tasche hat Reißverschluß.“
Der Mann Fabian hatte das Chianti-Haus
betreten.
Tim hoffte, daß Karl ihn erkannte. Denn
das war sicherlich wichtig.
19. Wie man eine Erpressung verkauft
Fabian
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