Der erste beste Mann: Wenn die Braut sich traut (German Edition)
dieses Hochzeitskleid trägt.
Mit immer noch zitternden Händen faltete Shelly den Brief zusammen und schob ihn wieder in den Umschlag. Ihr Herz schlug heftig, und sie hatte Schweißperlen auf der Stirn.
In diesem Moment klingelte das Telefon, und Shelly griff mechanisch nach dem Hörer. Dabei hatte sie gar keine Lust, mit irgendjemandem zu reden.
„Hallo.“ Erst als sie sich meldete, kam ihr in den Sinn, dass der Anrufer möglicherweise ihre Mutter sein könnte mit dem bewussten Mann im Schlepptau. Doch jeder Mann, den ihre Mutter ihr vorstellen würde, würde diesen Albtraum nur noch drückender machen.
„Shelly, hier ist Jill. Geht es dir gut? Du klingst ein wenig seltsam.“
„Jill!“ Shelly war so erleichtert, dass ihr die Knie zitterten. „Gut, dass du es bist!“
„Was ist los?“
Womit sollte sie anfangen? „Meine Tante Milly hat mir ein Hochzeitskleid geschickt, und es ist gerade angekommen. Ich weiß, dass das nichts Ungewöhnliches zu sein scheint, es sei denn, du würdest die Familiensaga über meine Tante und meinen Onkel John kennen.“
„Die kenne ich nicht.“
„Natürlich nicht, sonst wüsstest du, was ich gerade durchmache“, erwiderte Shelly scharf. Sofort tat es ihr leid, ihre beste Freundin so gereizt behandelt zu haben. Mühsam versuchte sie sich zusammenzunehmen und begann zu erklären. „Das Hochzeitskleid, das mir gerade per Post zugestellt worden ist, ist das, das sich seit vierzig Jahren im Besitz meiner Familie befindet. Der Grund dafür ist, dass es so gut wie sicher ist, dass ich es irgendwann einmal tragen werde.“
„Ich wusste nicht einmal, dass du dich mit irgendjemand Bestimmtem triffst“, warf Jill leicht gekränkt ein.
„Ich werde ja auch nicht heiraten, noch lange nicht. Wenn jemand das wissen müsste, dann du.“
„Dann will deine Tante einfach nur, dass du es trägst, wenn es so weit ist.“
„Es gibt noch eine Tatsache, die du nicht weißt!“ Shelly schrie fast. „Meine Tante Milly ist eigentlich die Tante meiner Mutter und nur ein paar Jahre jünger als meine Großmutter. Sie ist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg Anwältin geworden und hat hart dafür kämpfen müssen ihren Abschluss zu bekommen. Dann hat sie sich entschieden, Karriere zu machen.“
„Mit anderen Worten, sie hat vorgehabt, niemals zu heiraten.“
„Genau das.“
„Aber offenbar hat sie es dann doch getan.“
„Ja, und die Geschichte, wie es passiert ist, ist seit Jahren Familiengeschichte. Tante Milly hat all ihre Kleider anfertigen lassen. Und irgendwann hat sie einen besonders schönen weißen Stoff zu einer schottischen Frau gebracht, die den Ruf hatte, die beste Schneiderin im Umkreis zu sein. Milly brauchte ein Abendkleid für einen formellen Anlass, der natürlich mit ihrem Beruf zusammenhing. Die Frau nahm Millys Maße und versicherte ihr, das Kleid würde in einer Woche fertig sein.“
„Und?“, drängte Jill sie, als Shelly stockte.
Der Teil der Geschichte, der jetzt kam, missfiel Shelly am meisten. „Und … als Milly zurückkehrte, um das Kleid abzuholen, war es nicht das Kleid, das sie bestellt hatte. Die schottische Schneiderin erklärte daraufhin, sie habe das ‚zweite Gesicht‘.“
„Die Frau war Hellseherin?“
„Jedenfalls hat sie das behauptet.“ Shelly holte tief Luft.
„Sie erzählte meiner Tante, eine Vision gehabt zu haben, als sie anfing, das Kleid zu nähen. Und zwar eine ganz klare Vision, die meine Tante beträfe. Und anscheinend hatte dieses Bild ihr gezeigt, dass Milly heiraten würde. Die Frau war so sehr davon überzeugt, dass sie ihr statt eines einfachen Abendkleides ein elegantes Hochzeitskleid genäht hatte, mit weißem Satin, Spitze und bestickten Perlen.“
„Die Geschichte klingt wundervoll, Shelly“, sagte Jill und seufzte auf.
„Das Kleid ist ja auch wundervoll, aber verstehst du denn nicht …?“
„Was soll ich verstehen?“
Shelly hätte vor Frustration beinahe aufgestöhnt. „Die Frau hat darauf beharrt, dass meine Tante Milly, die sich nur ihrem Beruf hingegeben hatte, innerhalb eines Jahres heiraten würde. Und bis ins kleinste Detail ist es genau so eingetroffen, wie die Schneiderin es vorausgesagt hatte.“
Jill seufzte erneut. „Das ist die romantischste Geschichte, die ich jemals gehört habe.“
„Das ist keine romantische Geschichte“, erklärte Shelly streitlustig. „Das ist das Schicksal, das in das Leben eines Menschen eingreift. Das Leben ist manchmal eben seltsam. Ich weiß, dass es
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