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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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dennoch gütig.
    Geschickt schichtete Andras zwei Stapel Decken zu Hockern und setzte sich. Er schluckte.
    »Hübsch habt ihr es hier«, begann Martin das Gespräch, nachdem er die Beine übereinandergeschlagen und Andras eine Zigarette angeboten hatte. »Ihr habt gute Taschendiebe in eurer Truppe. Wie viel wollt ihr für meine Erkennungsmarke?«
    »Wer bist du?«
    »Wo hast du so gut Deutsch gelernt? Du bist doch Ungar, eine displaced person , wie man sieht«, erwiderte Martin.
    »Natürlich bin ich einer! Von meiner Mutter habe ich Deutsch gelernt.«
    »Schön. Mein Name ist Johnnie. Johnnie Walker.«
    »Das ist nicht wahr«, rief Andras. »Du bist kein Amerikaner. Du warst mit mir in Allach.«
    »Hast du das auf dem dog tack gelesen, das du mir gestohlen hast?«, fragte Martin scharf.
    Andras’ Gesicht lief rot an. Schnell griff er nach einer Decke und warf sie sich über die Beine. Wenn er aufgeregt war, bekam er eine Erregung wie ein dummer Junge. Er kniff die Augen zusammen. Allmählich wurde sein Atem wieder gleichmäßiger und die Beule in seiner Hose verschwand.
    »Na gut, nenn mich Martin.« Seine Stimme klang nunfreundlich aber bestimmt, wie die eines Arztes. »Wo ist Allach?«
    Andras fühlte sich in die Ecke getrieben, hilflos und nervöser als am Morgen vor dem Schnellrichter.
    »Du weißt das nicht? Ich war Vorarbeiter bei der Porzellanmanufaktur. Wunderschöne Figuren in einzigartiger Qualität. Kaum Beschwerden. Das Meiste ging nach Berlin zur Regierung. Für Staatsgeschenke. So gut waren wir! Ich habe mit dem Direktor eine neue Legierung ausprobiert. Wir haben Zahnprothesen entwickelt.« Er schob das linke Hosenbein hoch. »Das habe ich selbst gegossen. Heimlich natürlich.« Nach einem Blick auf die Holzkiste fügte er hinzu: »Willst du eine unserer Figuren sehen?« Er hob vorsichtig eine Porzellanfigur aus der Kiste, die einen nackten Speerwerfer darstellte. Der Oberkörper war zu breit geraten, der Kopf zu schmal. »Weißt du, der Speer, das ist das Schwierige, der ist mit der Figur gegossen, nicht später befestigt.« Andras’ Augen leuchteten.
    Martin zwinkerte ihm zu. Dieses Zwinkern, nun war Andras sich vollkommen sicher. Vor ihm saß kein Amerikaner, sondern ein ehemaliger Mithäftling. Vielleicht ein Krimineller, einer aus Dachau jedenfalls. Vorsichtig stellte er den Speerwerfer wieder in die Kiste und schloss den Deckel. So beiläufig wie möglich fragte er Martin, ohne seine Aufregung ganz unterdrücken zu können:
    »Und du? Warst im Stammlager? Zeig mir deine Nummer. Auf deinem Unterarm, da hast du doch deine Nummer eingebrannt, zeig sie mir, bitte. Ich kenne dich doch. Erinnerst du dich an mich?«
    Martin schwieg, sah ihm aber fest in die Augen und bewegte sich nicht.
    »Zeig mir deine Nummer«, bettelte Andras, »bitte.«
    »Ich habe keine Nummer.« Martin stand auf.
    »Hast du es getan, um mich loszuwerden, weil ich nicht schnell genug vorwärts kam? Hattest du Angst, dass sie mich rausziehen und dich gleich mit?« Andras sank mit rundem Rücken in sich zusammen. »Du hast doch gemerkt, dass ich nicht mehr weiterkonnte. Du hast doch gesehen, dass ich nur ein Bein habe.« Er schluckte. »Oder wolltest du mich töten? Habe ich dir etwas getan?«
    Als er auch auf diese Frage keine Antwort erhielt, ballte Andras die Fäuste. Er sah sie an, als gehörten sie nicht ihm, und stand auf. Die oberste Decke des Stapels schüttelte er auseinander und legte sie sorgfältig wieder zusammen.
    »Hast du hier Freunde?«
    Martin beobachtete ihn in aller Ruhe wie ein eingesperrtes Tier im Zoo. »Nein, wieso, ich bin nur zu Gast in München, habe hier etwas zu erledigen.«
    »Ich könnte dir deine Marke wieder beschaffen.« Andras sah ihn erwartungsvoll an.
    »Nicht so wichtig. Behalte sie.«
    »Ich will kein Geld dafür. Schließlich ist es deine.«
    »Mach dir darüber keine Gedanken. Ich brauche sie nicht mehr.«
    »Also bist du doch kein Amerikaner.« Andras legte die Decke zurück.
    »Du solltest gemerkt haben, dass man in Deutschland besser nicht zu genau Bescheid weiß, wer man war. Du hast es überlebt, was willst du mehr?« Martin ging zu der Öffnung. »Du solltest dich etwas dankbarer zeigen, dem Schicksal gegenüber, meine ich. Die Erkennungsmarke kannst du als Andenken behalten, ich werde schon eine neue bekommen. God bless you! «
    Kaum war er draußen, schob er das Leintuch noch einmal zurück. »Halte dich zur Verfügung. Irgendwann brauche ich deine Hilfe.«

13
    Eine Frau mit

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