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Der erste Sommer

Der erste Sommer

Titel: Der erste Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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jetzt erst richtig zur Geltung. Aber das schien Inge nichts auszumachen. Annes Gesicht glühte vor Ehrgeiz. Hektisch mischte sie die Karten für die nächste Runde. Diese Regeln waren schnell zu begreifen.
    Verbissen zockten sie, eine ganze Stunde lang.
     
    Die Soldaten dösten unterdessen in der Sonne. Die meisten Frauen hatten sich davongestohlen. Ein junges Mädchen mit Sommersprossen und roten Haaren bemühte sich mit ein paar Brocken Blitzenglisch vergeblich und zu laut um eine Unterhaltung mit einem Schwarzen. Als Anne von ihren Karten hochsah, entdeckte sie am Beckenrand den Bademeister. Anne starrte auf die weiß gekleidete Gestalt wie auf eine Erscheinung aus einer vergangenen Welt: das grelle Flimmern auf dem Wasser verlieh ihr etwas Überirdisches. Die Sommer ihrer Kindheit hatte sie in einer Badeanstalt am Starnberger See zugebracht. Sie wandte sich wieder dem Spiel zu. Der Corporal schwitzte inzwischen nur noch in Unterhemd und Khaki-Shorts und war gerade dabei, seine zweite Socke an Ilse weiterzureichen. Wie ein Engel, schoss Anne durch den Kopf. Sie drehte sich um, aber der Bademeister war verschwunden.
    » No! «, rief der Corporal im selben Augenblick.
    Inge fasste ihn ans Kinn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sie würde sich für ihn opfern. Er nickte. Langsam knöpfte sich Inge ihren Mantel auf. Den Amerikanern stockte der Atem: darunter trug sie nur einen Büstenhalter. Der Corporal nickte über Anne weg. Hinter ihr stand breitbeinig der Bademeister in strahlendem Weiß. In der linken Hand hielt er etwas Rosafarbenes. Anne zuckte zusammen. Sie kannte ihn. Er war kein Engel. Nicht einmal ein Amerikaner. Er hieß Martin.
    »Ist etwas?«, fragte Inge besorgt, als sie in Annes bleiches Gesicht sah.
    Ohne zu antworten sprang sie auf und zog Martin einige Meter weg von dem Baum.
    »Was machst du hier?«, fuhr sie ihn an.
    »Was für eine Begrüßung! Well , ich amüsiere mich und passe ein bisschen auf dich auf.«
    Anne funkelte ihn an. Wenn man nichts von seiner Vergangenheitwusste, hätte man Martin für den Hauptpreis halten können. Er machte eindeutig am meisten her. Und trotz allem freute sie sich sogar ein bisschen, ihn wiederzusehen.
    »Gefallen dir die boys von der Army?«, fragte Martin.
    Der spöttische Unterton reizte sie. Er nahm sich eindeutig zu viel heraus.
    »Ich bin hier zum Schwimmen. Und du?«
    »Ich bin immer da, wo man etwas geboten bekommt. Du warst auf einmal verschwunden, nach unserer ersten Nacht. Dabei wolltest du eigentlich mit mir reden oder täusche ich mich?«
    Martin blickte zu der Gruppe unter dem Baum und verbeugte sich leicht vor Inge und Ilse, die ihn wohlwollend musterten und sich zuzwinkerten. Sie hatten gleich vermutet, dass Anne mehr Erfahrungen mit Männern hatte, als sie zugeben wollte.
    »Hast du ein neues Opfer gefunden, bei dem du übernachten kannst?«, fragte Anne bissig.
    »Einsame Frauen gibt es genug in München.«
    Sie schluckte. Jedes Mal wieder bewies er ihr, dass er stärker war als sie.
    »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    Er hielt ihr einen rosafarbenen Hut hin. Anne nahm ihn und drehte ihn unschlüssig zwischen den Fingern.
    »Woher hast du den?«
    Er deutete auf die Gruppe unter dem Baum. »Willst du nicht weiterspielen? Du hast noch einiges auszuziehen.«
    »Ich habe dich für den Bademeister gehalten.«
    »Mich?« Er lächelte. »Ich kann nicht einmal schwimmen. Ehrlich! Auch wenn du mir nicht glaubst. Nun, vielleicht ändert sich das noch.«
    »Woher hast du diese Sachen? Sie sehen teuer aus.« Anne berührte ungläubig sein gestärktes Hemd am Ärmel.
    Martin grinste. »Die amerikanische Armee benötigt dringend Fahrradschläuche, bei dem Gewicht, das die Räder aushalten müssen.« Er deutete auf den Corporal und Ilse. »Da habe ich meinem Landsmann welche aus deinen Beständen zugeführt, und er hat sich hiermit revanchiert.«
    »Du hast dich an meinem Eigentum vergriffen?«
    Martin fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, wie er es einen Monat zuvor in ihrem Schlafzimmer getan hatte. Annes Freude über ihr Wiedersehen war mit einem Schlag weggewischt und wich einer unbeschreiblichen Wut. Er blieb trotz allem ein Mörder.
    »Dein Eigentum ? Die Wohnung stand wochenlang leer, ich dachte, du brauchst das Zeug nicht mehr.« Er lachte. »Ich habe dort nach dem Rechten gesehen. Du solltest alles Wertvolle in dein luftiges Schlafzimmer sperren. Ich habe dir als Entschädigung Blumen in die Küche gestellt.«
    »Du bist also heimlich in meine

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