Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Wieder das nervöse Zucken. »Er ist ’n mieser Vergewaltiger, oder nicht? Ist doch nicht meine Schuld! Sie …«
Logan zog noch eine Zigarette aus der Schachtel, und McGillivrays Junkie-Augen leuchteten. »Welches Pub, Russell?«
»Hab ich vergessen.«
Logan schüttelte bedauernd den Kopf und knickte die Zigarette in der Mitte durch. »Welches Pub?«
»Scheiße, Mann! Das ist gemein! Ich …«
Knick – und die Zigarette war noch einmal um die Hälfte kürzer.
»Garthdee Arms!«
»Ich will einen Namen.«
»Er hat mir seinen Namen nicht gesagt! Ehrlich!« Panik in der Stimme, die Augen starr auf den winzigen Zigarettenstummel gerichtet. »So ’n langer Lulatsch, sah total fertig aus – Bart, Brille … Scheiße, Mann …«
Logan gab ihm den Rest.
Zwanzig Minuten mit der E-Fit-Software genügten, um das Phantombild zu erstellen – schmales Gesicht, ausgeprägte Tränensäcke, runde Brille, hohe Stirn, Bart. Logan seufzte und druckte das Ergebnis aus. Es war nicht nötig, das Bild ins Polizei-Intranet zu stellen, um herauszufinden, wer es war. Macintyres drittes Opfer, Gail Dunbar: Das hier war ihr Mann; derselbe, der Insch nach dem Freispruch für den Fußballer vor dem Gericht angesprochen hatte. Der Mann, dem Insch Gerechtigkeit versprochen hatte.
Sie griffen ihn an seinem Arbeitsplatz auf und nahmen ihn in einem zivilen Einsatzwagen mit aufs Präsidium, um ihm Fingerabdrücke und eine DNS-Probe abzunehmen und ihn zu fotografieren. Bald schon gab er sein trotziges Schweigen auf und schimpfte lautstark drauflos: Dieser Rechtsverdreher war daran schuld, dass dieses Schwein nicht seine gerechte Strafe bekommen hatte für das, was er Gail angetan hatte. Er hatte es verdammt noch mal verdient! Das Einzige, was er bedauerte, war, dass McGillivray sich zuerst Moir-Farquharson vorgenommen hatte und nicht dieses Kickerdreckschwein. Um die zweihundert Pfund tat es ihm jedenfalls nicht leid.
Insch kam gerade aus der Mittagspause zurück und betrat das Gebäude durch den Hintereingang, als Rennie und Rickards Gail Dunbars Mann nach unten in den Zellentrakt schafften. Kaum hatte der Mann den Inspector erblickt, da brüllte er auch schon los: » SIE! SIE HABEN ES MIR VERSPROCHEN! SIE HABEN VERSPROCHEN, DASS SIE IHN HINTER GITTER BRINGEN WÜRDEN! SIE HABEN ES VERSPROCHEN, SIE MIESER FETTSACK !« Und dann wurde er gewalttätig.
»Verdammt«, stieß Logan hervor und lehnte sich schwer atmend an die Wand, während sie den schimpfenden und schreienden Dunbar abführten.
»Er hat recht«, meinte Insch, als der Lärm durch eine ins Schloss fallende Zellentür gedämpft wurde. » Wir können Macintyre nichts anhaben. Wenn jemand meine Frau vergewaltigt hätte – ich würde auch nicht untätig rumhocken, da können Sie Gift drauf nehmen.« Er seufzte und starrte eine Weile ins Leere. »Nur dass ich nicht so eine miese kleine Junkieratte wie McGillivray engagieren würde. Ich würde das Schwein eigenhändig alle machen.«
35
Um halb drei schickte Logan sich gerade an, seinen Computer herunterzufahren, als DC Rennie fluchend ins Zimmer kam, in der Hand einen Packen feuchter Papierhandtücher, den er sich an die Wange drückte. »Mist, verdammter, dieser dreckige Scheißkerl …«
»Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Diese durchgeknallte Brillenschlange hat mir eine gelangt! Wir mussten zu dritt anpacken, um ihn in die verdammte Zelle zu kriegen!«
»Er ist Grundschullehrer.«
»Er ist ein Arschloch!« Rennie nahm die feuchten Tücher weg und betastete den hässlichen roten Striemen, der darunter zum Vorschein kam. »Ich hab heute Abend eigentlich auch schon was vor …« Rennie hielt inne, betrachtete das Papier mit grimmiger Miene und feuerte es in den Abfalleimer. »Insch fragt, ob er Sie heute Abend mitnehmen soll. Zur Probe.«
Logan schüttelte den Kopf. »Ich gehe heim. Und außerdem – ich dachte, Sie proben immer montags, mittwochs und freitags?«
»Noch zwei Wochen bis zur Premiere – das heißt, dass wir ab jetzt praktisch jeden Abend …«
»Und wer soll dann Macintyre observieren?«
Rennie errötete. »Ich kann später noch vorbeischauen, wenn …«
»Jackie, nicht wahr? Herrgott noch mal!« Wenn sie wirklich die nächsten zwei Wochen jeden Abend vor dem Haus des Fußballers Wache schieben müsste, wäre sie nur noch mies drauf. »Und was ist, wenn sie mal Nachtschicht hat, oder Spätschicht?«
Rennie zuckte mit den Schultern. »Ich tu nur, was man mir gesagt hat.«
»Das ist doch albern.«
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