Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
den Prozess festgesetzt sei. Worauf der Anwalt Logan in Erstaunen versetzte, indem er ihm die Hand schüttelte und ihm versicherte, er mache seine Sache gut – zwar hörte es sich an, als müsse er sich jede Silbe mit Gewalt abringen, aber immerhin sagte er es. Dann humpelte er davon in den frostigen Morgen, während die ersten Schneeflocken vom Himmel fielen. Logan stand frierend unter dem Vordach und sah ihm nach. Und er fragte sich, wie es möglich war, jemanden zu verachten und gleichzeitig Mitleid mit ihm zu empfinden.
Die Nacht im Zellenblock hatte sich nicht gerade positiv auf Russell McGillivrays Körpergeruch ausgewirkt. Alter Schweiß, vermischt mit den säuerlichen Ausdünstungen eines Mannes, der rapide in der albtraumhaften Wahnwelt des Drogenentzugs versank. Der nach seinem nächsten Schuss gierte wie ein Erstickender nach Luft. Abwechselnd von Zuckungen geschüttelt und reglos wie eine Statue, das Gesicht vor Schweiß glänzend wie ein bleicher Krötenbauch, dunkelviolette Ringe unter den blutunterlaufenen Augen. Nicht gerade der Traum einer jeden Schwiegermutter.
Logan stellte einen der beiden Kaffees, die er mitgebracht hatte, auf dem schmutzig grünen Terrazzoboden ab und schloss die Tür. »Na, Russell«, sagte er, während er den Rest von DI Steels gestohlenen Zigaretten aus der Tasche zog und die Schachtel schüttelte, »freuen Sie sich schon auf Ihre fünfzehn Minuten Ruhm?«
Gequältes Lächeln, einschmeichelnder Tonfall: »Kann ich … kann ich ’ne Zigarette haben? Ach bitte, geben Sie mir doch eine, ja?«
»Dürfte nicht lange dauern: rein in den Gerichtssaal – eins, zwei, drei und – hast du nicht gesehen –, schon geht’s zurück nach Craiginchies mit noch ein paar Jährchen auf dem Konto wegen Verstoßens gegen die Bewährungsauflagen. Ganz zu schweigen von dem, was Sie noch aufgebrummt kriegen für das Fahren ohne Führerschein und ohne Versicherung, den Widerstand gegen die Festnahme, die Behinderung der Polizeiarbeit, den Mordversuch …«
» WAS ?« McGillivray sprang auf wie von der Tarantel gestochen und rang krampfhaft die Hände, dass die Gelenke nur so knackten und knirschten. »Ich hab niemand ermordet!«
»Oh, habe ich das gestern nicht erwähnt?« Logan zuckte mit den Achseln. »Muss mir wohl entfallen sein. Glauben Sie …«
»Ich hab niemand ermordet!«
Logan schüttelte eine Zigarette aus der Packung und fischte das Feuerzeug aus der Tasche. »Eine letzte Zigarette für den Verurteilten.«
» ICH HAB NIEMAND ERMORDET !«
»Nein, aber Sie haben sich alle Mühe gegeben, nicht wahr? Wenn diese Putzfrau nicht genau in dem Moment aus dem Haus gekommen wäre, hätten Sie ihn totgeprügelt.«
»O Mann, ey …«
»Hier.« Logan zündete eine Zigarette an und zog einmal daran, ehe er sie McGillivray reichte. Das längst vergessene Brennen des inhalierten Rauchs ließ seine vernarbten Lungen zucken. »Genießen Sie es, solange Sie noch können.«
McGillivray steckte sich die brennende Zigarette zwischen die Lippen und sog so hektisch daran, als könnte er damit alles ungeschehen machen. »Das war kein Mord … Ich … sollte denen bloß ’ne kleine Lektion erteilen.«
»Dem Anwalt und …?« Er wollte McGillivray den Satz vollenden lassen, obwohl er die Antwort schon kannte.
»Und diesem blöden Kicker. Alle beide für dreihundert.«
»Dreihundert ist viel zu billig, Russell. Sie machen den ganzen Markt kaputt.«
»Ist doch nicht meine Schuld! Ich brauch meine Medizin …«
»Wer? Wer hat Ihnen die dreihundert gegeben?«
Er zuckte mit den Achseln, die Augen auf den Boden geheftet, die Zigarette in der hohlen Hand, als wollte er sie verstecken. »Keine Ahnung – so ’n Typ im Pub.«
Logan ließ ihn eine Weile im eigenen Saft schmoren – mittels ebenjener Schweigemethode, die auch Insch angewandt hätte, wenn er nicht schon in die Mittagspause entschwunden wäre, um die Frau anzubrüllen, die die Kostüme für die japanischen Edelmänner im Mikado schneiderte.
»Keine Ahnung! Ich weiß es nicht, okay? Hab nicht gefragt; dreihundert für zwei Typen.«
»Gegen Vorkasse?«
McGillivray saugte den letzten Rest Nikotin aus dem Stummel mit dem orangefarbenen Filter und trat ihn auf dem Boden aus. »Krieg ich noch eine, ey?«
»Sind Sie im Voraus bezahlt worden?«
McGillivray leckte sich die Lippen und stierte auf Logans Tasche, wo die Zigaretten versteckt waren. »’n Hunderter im Voraus. Hundert nach dem Anwalt, noch mal hundert nach dem Fußballer …«
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