Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
einen Krankenwagen rufen, Tony, okay? Du hast dir das Bein gebrochen.«
Der Mann schwankte ein wenig. »Tut … tut gar … gar nich’ weh!«, stammelte er und nahm noch einen Schluck. »Dieses besch-sch-schissene Oberlicht!« Er griff sich eine Flasche Rioja und schleuderte sie zur Tür hinaus. Dafür, dass er sternhagelvoll war, zielte er immer noch verblüffend gut.
»Komm schon, Tony, lass dir helfen. Ich ersauf hier in Schnaps …«
»Sis – sisss …« Er rülpste, zuckte zusammen und rieb sich die Brust. »Sisssuspät. Wollt ja bloß ’n bisschen Geld. Paar hunnert Mäuse, mehr nicht’. Bl-bloß eben genuch. Ne?« Noch mehr Talisker verschwand in seinem Bauch. »Für ’nen Pass. Wollt mit meiner Mama nach … nach … Florida! Mickymaus sehen! Groß … verdammt groß, die Maus.«
Logan zückte sein Handy und rief einen Krankenwagen.
»Kannnnich Mickymaus gucken fahren ohne … ohne Pass.«
»Der Krankenwagen ist unterwegs, Tony. Bald geht’s dir wieder besser. Kommst du mit mir nach draußen? Da können wir in der Sonne sitzen. Ist viel netter als hier drin.«
»Pfffff … nee. Kann mein’ Pass nich’ wiederkriegen. Muss … muss … magsu Pferde?« Tony kicherte und genehmigte sich noch einen Schluck Whisky. »Ich mag Pferde! Aber … aber Geld brauchse da … zu viel Geld …« Er beugte sich vor und tippte sich verschwörerisch an die Nase. Seine Stimme wurde zu einem feuchten, zischenden Flüstern, als er umkippte und auf der Nase landete. »Ma Stewart läss … lässt mich nich’ …« RUMS! »Passsss. Verdammt groß, die Maus …« Als der Krankenwagen eintraf, schnarchte er längst.
»Sie riechen wie eine Schnapsbrennerei.« Steel saß auf einer niedrigen Granitmauer und belohnte sich für ihre vorbildliche Einsatzleitung mit einer Zigarette.
»Danke für Ihre Hilfe.« Logan schälte sich aus seiner Jacke und versuchte den Alkohol aus den klatschnassen Ärmeln zu wringen. Von den ganzen Dünsten war ihm schon ein wenig schwindlig. »Er bricht gegen drei Uhr früh in den Laden ein, schließt die Alarmanlage mit ein paar Krokodilklemmen kurz, nur leider reißt das Seil, mit dem er sich vom Oberlicht herunterlässt. Er stürzt fünf oder sechs Meter in die Tiefe und bricht sich das Bein. Beim Sturz geht auch sein Handy kaputt, und so liegt er da hilflos herum und leidet irrsinnige Schmerzen. Bis ihm aufgeht, dass er ja von Flaschen voller Do-it-yourself-Betäubungsmittel umgeben ist …«
Steel fing an zu lachen, prustete eine Wolke gebrauchten Zigarettenrauch aus und bekam einen Hustenanfall. »O je«, stieß sie hervor, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, »ich glaub, ich hab mir ein bisschen in die Hose gemacht …«
»Um halb neun kommt der Inhaber, um aufzuschließen und eine Bestandsaufnahme zu machen, aber bevor er den Code für die Alarmanlage eingeben kann, wird er mit Pinot Grigio und süßem Sherry bombardiert.«
Steel krümmte sich vor Lachen und klatschte sich auf die Schenkel, während Logan ihr noch berichtete, dass Tony Burnett es nur getan hatte, um seinen Pass auslösen zu können, den er als Sicherheit für einen Kredit von Ma Stewart hinterlegt hatte. Er hatte bei ihr auf den Hennessy Gold Cup gewettet und verloren.
»Genial«, stöhnte sie und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Der Blödian hätte sich doch bloß einen Ersatzpass besorgen müssen, und stattdessen zieht er im Schnapsladen eine Mission Impossible ab!« Und schon musste sie wieder losprusten.
Von außen betrachtet machte der Laden nicht viel her, aber wenn man erst einmal drin war, sah er auch nicht viel besser aus. Wettbüro J. Stewart & Sohn, gegr. 1974 , stand im Fenster. Hier konnten alte Männer die Zeit totschlagen, Dosenbier schlürfen und auf den Boden rotzen, bis das letzte Rennen gelaufen war und es Zeit wurde, zum Abendessen nach Hause zu tappen. Der Name des Wettbüros war rein dekorativ – J. Stewart war längst tot, und der »Sohn« war mit einem Meeresbiologen namens Marcus nach London durchgebrannt. Jetzt schmiss also Donna »Ma« Stewart den Laden: Alleininhaberin, Witwe und eine von Logans allerersten Verhaftungen.
Der Laden war nicht ganz leer – eine Handvoll alter Männlein mit Schiebermützen und Anoraks rutschten unter den Rauchverbotsschildern nervös auf ihren Stühlen hin und her, während oben auf den Breitwandbildschirmen die Pferde, die am Sparrows Offshore Handicap Hurdle teilnahmen, tänzelnd und Piroutten drehend zur Startlinie vorrückten.
Ma
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