Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Ausgang.
»Überlegen Sie doch mal: Wer übt die Macht aus – derjenige mit der Peitsche oder derjenige, der ausgepeitscht wird?«
»Nun, ich …«
»Wenn ich ausgepeitscht werde, dann befriedige ich damit meine Lust. Es geschieht, um mich zu erregen – der Typ mit der Peitsche ist nur ein Hilfsmittel. Es geht gar nicht um ihn, es sieht nur so aus. Wissen Sie …«
»Ahh ….« Logan richtete sich ruckartig auf und begann in seiner Tasche zu kramen. »Entschuldigung, ich habe das Handy auf Vibrationsalarm gestellt; ich krieg jedes Mal einen gewaltigen Schrecken, wenn das Ding losgeht.« Er drückte eine Taste, und das Display leuchtete auf. »Verdammt – tut mir leid, den Anruf muss ich leider annehmen … Hallo? … Ja, okay … Moment mal …« Das Handy ans Ohr gedrückt, schnappte Logan sich seine Jacke, lief die Treppe hinunter und trat hinaus in die kalte Nachtluft.
Die Union Street leuchtete wie ein Weihnachtsbaum, erhellt von einem steten Strom gelber Scheinwerfer und scharlachroter Bremslichter unter einem pflaumenfarbenen Himmel. Ein Sonntagabend Anfang März, und die Hälfte der Leute, die vorüberschlenderten, hatten noch nicht einmal eine Jacke an, und das trotz der Minustemperaturen. Halb nackte Teenager Seite an Seite mit Leuten, die eigentlich schon zu alt für diesen Quatsch waren, und alle hatten nur eines im Sinn: sich bis zum Abwinken volllaufen zu lassen und in einer dunklen Ecke eines Pubs oder einer Bar andere Körper zu betatschen.
Logan musste jetzt nicht mehr so tun, als ob er mit jemandem telefonierte, also hörte er stattdessen seine Nachrichten ab. Immer noch nichts von Jackie. Er rief wieder in der Wohnung an. Tuut-tuut, tuut-tuut, tuut-tuut, tuut-tuut – Anrufbeantworter. Er brach den Anruf ab und versuchte es auf ihrem Handy. »Jackie? Hast du Lust, was Kleines essen zu gehen, oder einfach nur auf ein Bier ins Pub?«
Die Verbindung war nicht optimal, aber gut genug, um mitzubekommen, dass sie ihm einen Korb gab. Sie war nicht in der Stimmung dafür – immer noch stinkwütend wegen dieser ganzen Macintyre-Geschichte. Wie er sie kannte, würde sie um drei Uhr früh mit einer gewaltigen Bier- und Kebabfahne zur Tür hereingetorkelt kommen. Na schön, wenn sie schmollen wollte, sollte sie schmollen – er würde jedenfalls nach Hause gehen, sich eine Pizza bestellen, einen brauchbaren Film auf Sky aussuchen und den Rest des Abends auf dem Sofa verbringen. Nicht gerade ein irre aufregendes Leben, aber immer noch besser, als mit Leidensmiene rumzulaufen wie ein verzogener Teenager. Früher oder später würde sie sich einfach mit der Tatsache abfinden müssen, dass Rob Macinytre unschuldig war.
Das Tor quietscht unter seinen Händen, als er mit einem Satz darüberspringt, und ein kleiner Sprühregen aus eiskalten Wassertröpfchen blitzt in der Dunkelheit auf. Alles ist in tiefe Nacht gehüllt, Konturen und Einzelheiten nur schemenhaft zu erkennen, selbst für seine Augen – und er sieht hervorragend im Dunkeln. Aber er ist unbesorgt. Er weiß, dass niemand da ist, der ihn sehen könnte. Wie immer. Die Polizei ist so saublöd, dass es kaum zu glauben ist! Er grinst und trabt gemächlich den schmalen Weg entlang, der versteckt hinter den Gärten verläuft, bis zu der Garagenreihe und den Parkplätzen am Ende. Hatten sie wirklich geglaubt, er hätte sie nicht bemerkt? Als ob er diesen schmierigen Anwalt gebraucht hätte, um zu wissen, dass er beobachtet wurde.
Aber es war die Idee des Anwalts gewesen, alles auf Video festzuhalten. Wie gerne hätte er ihre Gesichter gesehen, als sie sich den Film angeschaut hatten.
Grinsend schließt er die Heckklappe des unscheinbaren roten Kombis auf, wirft seine Tasche hinein und setzt sich hinters Steuer. Nummer zehn kann sich heute Abend auf ein besonderes Vergnügen gefasst machen. Er hat etwas zu feiern. Keine Polizei mehr im Nacken. Schluss mit den Anschuldigungen. Nur er und eine lange Reihe scharfer Weiber, und sie alle können es kaum erwarten, dass er ihnen zeigt, was passiert, wenn man mit dem Feuer spielt. Nummer zehn ist ein echter Glückspilz.
Er fragt sich, wie sie wohl aussehen wird.
39
Wieder einmal zeigte Aberdeen sich als die launische Diva des Nordostens – nach dem lausig kalten Wochenende mit Schnee, Schneeregen und Wind war es am Montagmorgen überraschend warm. Blauer Himmel, Schäfchenwolken und Schneeglöckchen wiegten die Menschen in einem trügerischen Gefühl der Sicherheit. Es wäre ganz angenehm gewesen, hier
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