Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Stewart saß hinter dem Tresen, über ein Promiklatschmagazin drapiert, eine feiste Wange auf eine beringte Hand gestützt, während sie mit der anderen die Seiten umblätterte und Logan und Rickards einen tiefen Einblick in ihr käsiges, schwabbeliges Dekolleté gewährte. Mas verfilztes graues Haar war zu einem Dutt hochgebunden, und ihre Brillenkette funkelte vor dem Hintergrund einer schmerzhaft bunten Bluse. Sie blickte erst auf, als die beiden direkt vor dem Tresen standen. »Tag, was kann ich …« Und dann erkannte sie Logan und strahlte ihn an. »Sergeant McRae! Welch eine Freude! Sie schauen ja viel zu selten vorbei! Haben Sie schon gegessen?« Sie drehte sich um und brüllte nach hinten: »Denise! Setz mal Wasser auf und schau nach, ob noch Pizza da ist!«
Ein gedämpftes »Kann grad nicht!« ertönte aus der offenen Tür hinter dem Schalter.
»Setz das verdammte Wasser auf, sonst lass ich deinen Michael wie ’nen verdammten Pazifisten aussehen!«
»Ja, ja, is’ ja schon gut …«
Und dann ließ sie wieder ihr mütterliches Lächeln auf Logan los. »So. Was können wir denn für Sie tun? Sie sehen übrigens blendend aus; haben ein bisschen Sonne gekriegt, nicht? Das Wetter war ja so was von scheußlich die letzte Zeit …«
Logan wusste, dass Ma Stewart keinen Tag älter als sechzig war, aber sie gehörte zu den schwer zu schätzenden übergewichtigen Frauen, denen man alles zwischen fünfzig und hundert zugetraut hätte – die Falten von innen geglättet durch dicke Schichten von Unterhautfett. Er hatte Mühe, nicht zusammenzuzucken, als sie sich über den Tresen beugte, um ihn in die Wange zu zwicken. »Also ehrlich«, meinte sie, »Sie sind ja nichts als Haut und Knochen. Ihre Freundin kocht wohl nicht ordentlich für Sie! Es ist genau dasselbe wie mit Marcus und unserem Norman – immer nur Tai-Chi und nie Thai Chicken.«
»Ich muss mit Ihnen über Tony Burnett reden, Ma.«
»Und wer ist Ihr kleiner Freund da?« Sie richtete ihr Lächeln auf Rickards, der sofort zu stammeln und zu stottern begann. »Oh, ein ganz Schüchterner ! Wie reizend! Denise ! Wo bleibt der verdammte Tee?«
»Sofort. Herrgott noch mal …«
»Na ja, also, wie ich die Tage schon mal gesagt habe, die Herrschaften von der Polizei lassen sich viel zu selten hier blicken. Oh, als mein Jamesy noch am Leben war, da war das ganz anders; wir …«
»Wir haben Ihnen doch untersagt, die Pässe der Kunden als Sicherheit einzuziehen, Ma.«
»Und gerade jetzt, wo’s auf den Cheltenham Gold Cup zugeht, da könnten Sie doch auf dem Revier eine kleine Wette organisieren!«
»Die Pässe, Ma …«
Eine kleine Frau mit einem blauen Auge kam aus dem Hinterzimmer. Sie trug ein Tablett mit vier Teetassen und Pizzastücken, die verdächtig aufgewärmt aussahen. »Milch hab ich keine. Es gibt entweder das Kondenszeug aus der Dose oder gar nix.«
Sie gingen mit ihrem Tee und ihrer Peperonipizza aus der Mikrowelle in Ma Stewarts Büro, ein kleines Zimmer im hinteren Teil des Gebäudes. Wände und Decken waren komplett mit lackierten Holzdielen in Nut- und Federverbindung ausgekleidet, sodass man sich vorkam wie in einer selbst gebauten Sauna. Ma Stewart hatte ein Faible für kleine Porzellanscotchterrier und Fotos von ihren Enkeln – die ganze Bude war voll davon. Es roch nach Duftsträußchen, und ein kleines, altmodisches Transistorradio auf einem hohen Regal beschallte sie mit Musik, während sie aßen. »Haben Sie die letzte Folge von Celebrity Pop Idol gesehen?«, fragte Ma und biss ein großes Stück von ihrer aufgewärmten Pizza ab. »Ich hätte nie gedacht, dass dieser farbige Mann von den Nachrichten so eine wunderbare Singstimme hat.«
Logan schaltete auf Durchzug. Diese Frau machte ihn immer fertig. Sie wurde nicht aufsässig, sie randalierte nicht, sie war einfach nur … nett. Und sie ignorierte vollkommen, worum es eigentlich ging. Und wo in aller Welt nahm sie bloß die Zeit her, diese ganzen abscheulichen Porzellanhündchen abzustauben? Er sah sich im Zimmer um. Vielleicht sollten sie ganz einfach … Da stand ein schlichter brauner Pappkarton auf dem Boden neben Ma Stewarts Schreibtisch, direkt vor Logans Füßen; der Deckel stand gerade so weit offen, dass er die Worte Lesbische Krankenschwestern ausmachen konnte. Er hob den Karton auf und leerte ihn auf dem Schreibtisch aus. Es war eine bunte Mischung von Hardcore-Pornos, und ganz unten auch ein Exemplar von Manche mögen’s Schaf, Teil 5 nebst anderen Titeln »für
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