Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
alle hier in diesem Haus total durchgeknallt?«
»Was ist passiert?«
»Ich will nicht darüber reden.« Schon marschierte sie wieder los. »Eine Frau ist vergewaltigt worden, und er reißt Witze.«
»Und deshalb hast du ihm eine verpasst? Jackie, wenn er sich über dich beschwert, bist du fällig!«
» Eine Nacht observieren wir dieses Schwein von Macinytre mal nicht …«
Logan packte sie am Arm. »Wo? Was ist passiert?«
Sie riss sich von ihm los. »Wendy Smith. Schwesternschülerin. Sie ist achtzehn. Ist auf dem Heimweg von der Arbeit, und Macintyre stürzt sich auf sie. Nur dass das Schwein sie diesmal mit Fäusten und Messer so übel zurichtet, dass sie auf einem Auge blind ist. Verdammt, ihr Gesicht sieht aus wie ein Stück rohe Leber! Dreihundert Stiche! Dreihundert! Ihre Kollegen aus der Notaufnahme haben sie gar nicht wiedererkannt – und dieses Dreckschwein kriegt einen Buchvertrag in siebenstelliger Höhe!«
»Wo? Wo ist es passiert?«
»In Dundee, Mann. Wie üblich. Der miese Drecks…«
»Dann war er es nicht.«
»Natürlich war er es!«
» ER KANN ES NICHT GEWESEN SEIN !«, brach es aus ihm heraus. Er biss die Zähne zusammen und versuchte sich mühsam zu beherrschen. »Das letzte Mal waren wir dort – erinnerst du dich? Die ganze Nacht! Er war zu Hause, als das vorletzte Mädchen vergewaltigt wurde: Es ist auf Video festgehalten!«
»Er war es.« Sie machte kehrt und marschierte auf die Treppe zu.
»Wie? Wie kann er es gewesen sein?«
»Er war es!«
Es war vollkommen zwecklos – wie die Diskussionen mit seiner Mutter. Sie würde niemals zugeben, dass sie im Irrtum war. Logan ließ sie allein.
Auf keinen Fall würde er sofort nach Hause gehen – nicht, solange sie eine solche Laune hatte. Als die Schicht um war, fragte er, ob jemand mit ins Pub gehen wollte. Niemand tat ihm den Gefallen – nicht einmal Rennie.
»Wir haben Probe. Kommen Sie doch mit, es wird bestimmt lustig. John kommt auch mit, nicht wahr, John?«
Rickards nickte begeistert. »Ich souffliere!«
»Na ja … auch kein Problem. Dann schau ich mir eben einen Film an oder so.«
»Nein, kommen Sie doch mit!« Rennie gestikulierte theatralisch. »Und danach können wir endlich unseren Herrenabend mit Curry und Bier nachholen!«
Logan zuckte mit den Achseln – warum nicht?
Während sie zusammen die Union Street hinaufgingen, plapperte Rennie unentwegt über irgendeine Folge von EastEnders , deren Handlung Parallelen zu Othello aufwies.
»Na«, meinte Rickards, als Rennie es einmal fertigbrachte, dreißig Sekunden lang die Klappe zu halten, »hat Tina Sie gestern sehr mit Beschlag belegt?«
»Tina?« Es dauerte einen Moment, bis Logan begriff, von wem er sprach – Mrs. »Bottoms-haben-die-Macht«. »Ja … sie ist ein bisschen … anstrengend .«
»Tja – so ist sie eben, unsere Tina. Wissen Sie, die meisten von diesen Leuten sind gar nicht so übel. Tina neigt eben ein bisschen zum Missionieren, was die ganze Geschichte betrifft. Ihr Mann hat sie wegen einer Zahnhygienikerin verlassen, und seitdem ist sie auf diesem Selbstbestätigungstrip. Letztes Jahr hat sie uns zu so einem grauenhaften Märchenspiel mitgeschleift, wo sie mitgemacht hat.«
»Ja, sie hat davon erzählt.« Sie blieben vor der Ampel an der Union Terrace stehen und sahen zu, wie der Verkehr vorüberdonnerte. Die Wärme des Tages war längst verflogen; ein kalter Wind pfiff die Bridge Street herauf und trieb eine alte Zeitung torkelnd vor sich her wie eine sterbende Möwe.
»Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, wie viele Leute beides machen – in der Szene aktiv sein und auf der Bühne stehen. Ich habe auch schon öfter mit dem Gedanken gespielt. Deswegen habe ich mich auch bereit erklärt zu soufflieren. Nächstes Jahr …«
»Moment mal eben …« Logans Handy klingelte. Laut Anzeige kam der Anruf von R. Tulloch, Stv. StA. Er stand da, starrte das beleuchtete Display an, während es läutete, und überlegte hin und her, ob er den Anruf annehmen oder lieber so tun sollte, als hätte er keine Zeit. Irgendwie behagte ihm beides nicht.
»Wollen Sie nicht drangehen?«, fragte Rennie.
Er würde mit ihr reden. Es nicht zu tun, wäre unfair. Er … Der Klingelton verstummte – der Anruf war auf die Mailbox gegangen.
Jetzt würde er sie zurückrufen müssen. »Mist.« Er rief die Mailbox an und hörte seine Nachrichten ab. Es rauschte und klickte, dann kam der Anruf von seiner Mutter, der er seit fast einer Woche aus dem Weg ging. Er
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