Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
DVD von Fettes bedeutete bislang nichts als Ärger – Garvie war tot, weil sie Mist gebaut und voreilige Schlüsse gezogen hatten, und als hätte Logan deswegen nicht schon genug Schuldgefühle gehabt, stieg ihnen jetzt auch noch der Polizeipräsident aufs Dach. Insch war wild entschlossen, an Garvie als Täter festzuhalten: Die Person in dem Bondageanzug mochte eine Frau sein, aber da war immer noch der Fahrer mit dem irischen Akzent – die Beschreibung passte genau auf Garvie … Aber Logan hatte inzwischen doch arge Zweifel an der ganzen Theorie.
Er war gerade auf dem Weg nach unten, um sich noch einmal die Überwachungsvideos aus dem Krankenhaus anzuschauen, als vom Zellentrakt her lautes Geschrei und Gefluche durchs Treppenhaus hallte. Krach , bumm , polter . Noch mehr Gefluche. Was es auch sein mochte, Logan wollte damit nichts am Hut haben. Er hatte gerade das Erdgeschoss erreicht, als ein halbes Dutzend Constables an ihm vorbeistürmten, offenbar auf dem Weg zum Unruheherd. Wieder ein lauter Krach und aufgeregtes Geschrei.
Logan überließ sie ihrem Schicksal.
»Verdammte Scheiße …« DI Steel kam auf Logans Tisch in der Kantine zugeschlurft, einen blauen Eisbeutel an die Schläfe gepresst, und ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen. »Keine Fragen. Und holen Sie mir einen Kaffee: drei Stück Zucker. Und einen Donut oder so was.«
Logan machte den Mund auf, aber Steel ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Keine Fragen, hab ich gesagt.« Er zuckte mit den Achseln und ging hinüber zur Essenstheke.
»Es gab keine Donuts, aber ich habe Ihnen ein KitKat mitgebracht.«
Steel schien es recht zu sein; sie schlürfte und kaute stumm und mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Dieser verdammte McPherson zieht Katastrophen an wie ein Haufen Scheiße die Fliegen«, sagte sie schließlich. »Wissen Sie, wie viele Tage dieser Sack in den letzten vier Jahren krankgeschrieben war?« Logan wusste es nicht und gab es auch zu. Steel runzelte die Stirn. »Ich auch nicht, aber ich könnte wetten, dass es verdammt viele waren. Wahrscheinlich mehr, als er gearbeitet hat.«
»Was ist passiert?«
»Was ist denn so verdammt schwer zu verstehen an dem Satz: ›Keine Fragen‹? Und wieso sind Sie überhaupt hier? Hab ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich ein paar Tage freinehmen?«
»Wir sind in letzter Minute noch auf eine neue Spur im Fall Jason Fettes gestoßen.« Er stand auf und stapelte sein Geschirr auf einem zerschrammten Plastiktablett.
»Ach ja?« Steel verdrückte die letzte Schokokeksstange und knüllte das Silberpapier zu einem kleinen Kügelchen zusammen. »Ich dachte, den hätte Insch der Fantastische Fettsack schon gelöst.«
»Ja, nun ja … jetzt ist er eben wieder ungelöst.«
Steel deutete auf den Stuhl, von dem Logan sich gerade erhoben hatte. »Hinsetzen. Das will ich hören.«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Wir haben einen Film gefunden, auf dem man sieht, wie Fettes auf einen Tisch gebunden, geschlagen und gefistet wird. Er verblutet praktisch vor laufender Kamera.«
Steel nahm ihre Kaffeetasse und stand auf. »Na los, kommen Sie, den sehen wir uns an.«
»Aber …«
»Fettes ist mein Fall, schon vergessen? DI Fatboy assistiert mir nur. Also machen Sie schon hin, und holen Sie den Film!«
Sie schauten sich das Video schweigend von Anfang bis Ende an. »Noch mal von vorn«, kommandierte Steel.
Logan ließ die DVD ein zweites Mal laufen. Es klopfte an der Tür, als die unbekannte Frau gerade anfing, heißes Wachs auf Jason Fettes’ Rücken zu tropfen. PC Rickards steckte den Kopf herein und wandte sich an Logan: »Sergeant Mitchell sagt, Sie wollten mich sprechen, Sir?«
»Ich habe eine Liste von Pseudonymen und möchte, dass Sie sich die durchsehen und …« Er brach ab, als ihm auffiel, dass Rickards’ Gesicht irgendwie komisch aussah. Oder noch komischer als sonst. Seine linke Backe war geschwollen. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»DI McPherson.« Als ob das Erklärung genug wäre.
Steel nahm die Augen nicht vom Bildschirm. »Wie lautet die Diagnose?«
»Gebrochener Arm, zwei angeknackste Rippen und eine Gehirnerschütterung, Ma’am. Sie behalten ihn über Nacht da.«
»Wunderbar. Ihnen ist natürlich klar, dass seine ganzen Fälle an uns hängenbleiben werden. Wieder mal.«
Logan wartete darauf, dass irgendjemand ihn aufklärte, was aber niemand tat. Also suchte er stattdessen die Liste von Jason Fettes’ SM-Kontakten heraus, die er zusammengestellt hatte, und übergab
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