Der erste Tropfen Blut: Thriller (German Edition)
Sachen bekomme ich von diesem Menschen aus Dundee. Der kommt einmal im Monat vorbei und bringt DVDs und …« Sie brach unvermittelt ab, als wäre ihr beinahe etwas herausgerutscht, was sie wirklich nicht sagen sollte, und räusperte sich stattdessen. »Na ja, ihm ging’s nicht so gut – der arme Kerl hat Ischias, und es ist ’ne lange Fahrt von Dundee hierher, wenn man’s mit dem Rücken hat. Bei meinem Jamesy, Gott hab ihn selig, war es genau dasselbe. Als wir mal nach Prestwick in Urlaub gefahren sind …«
»Ma.« Logan beugte sich über den Tisch und ergriff ihre kalte, schlaffe Hand. »Der Film. Es ist wichtig.«
Sie holte tief Luft, starrte ihre Hand an, die in der von Logan lag, und sagte: »Manchmal kommt es vor, dass einer ein bisschen knapp bei Kasse ist oder beim Pferderennen Pech hat. Dann gibt er uns eben etwas, und wir bewahren es für ihn auf … oder verkaufen es für ihn.« Was so ungefähr die vornehmste Umschreibung für die Beschlagnahme von Eigentum wegen Zahlungsverzug war, die Logan je gehört hatte. »Der …« Sie deutete auf den Fernseher und schüttelte sich. »Dieser Film war in einem DVD-Player, den jemand bei uns abgegeben hat.«
Jetzt beugte Insch sich ebenfalls vor. »Wer?«
»Ich weiß es nicht, da müsste ich nachschauen.« Sie stand auf und begann in einem alten Sideboard herumzustöbern. Schließlich fand sie ein zerfleddertes blaues Schulheft, blätterte es durch und murmelte dabei leise vor sich hin. »Derek MacDonald.« Sie schrieb den Namen und die Adresse auf einen rosa Notizzettel mit Rosenmuster am Rand und reichte ihn Insch.
Der Inspector nahm ihn mit einem Grunzen entgegen und gab ihn gleich weiter an Logan.
»Sagt Ihnen der Name was?«
»Derek MacDonald?« Logan zuckte mit den Achseln. »Könnte irgendwer sein. Von denen gibt es hier Hunderte. Immer vorausgesetzt, es ist sein wahrer Name. Die Adresse kommt mir allerdings irgendwie bekannt vor …«
»Geben Sie sie durch.«
Logan tat, wie geheißen. Draußen auf dem Flur, bei geschlossener Wohnzimmertür, ließ er sich von dem Kollegen in der Leitstelle die Einträge zu einem halben Dutzend vorbestraften Derek MacDonalds mit Wohnsitz im Nordosten vorlesen. Nur drei wohnten in Aberdeen: Einer war wegen Alkohol am Steuer verurteilt worden, der zweite hatte ein paar Körperverletzungen auf dem Kerbholz, der dritte mehrere Diebstahlsdelikte – er hatte in Tillydrone Autos geklaut. Keiner von den dreien war unter der Adresse gemeldet, die Ma Stewart ihnen gegeben hatte. Aber laut Auskunft der Leitstelle wurde das Haus tatsächlich observiert, und zwar vom Drogendezernat. Ziel der laufenden Operation war es, ein paar aufstrebende junge Burschen aus Newcastle dingfest zu machen, die mit Nachdruck auf den Aberdeener Markt drängten. Das bedeutete, dass Insch sich zuerst mit dem Chef der Kriminalabteilung absprechen musste, bevor er dort hereinplatzte wie ein Bär mit Hämorrhoiden.
»Die Adresse ist im System«, sagte Logan, als er ins Wohnzimmer zurückkam. »DI Finnie. Aber es wohnt kein Derek MacDonald in dem Haus.«
Ma schüttelte missbilligend den Kopf, die Arme unter ihrem üppigen, käseweißen Busen verschränkt. »Glauben Sie mir, der wohnt da. Wir schauen bei diesen Geschichten sehr genau hin. Es lohnt sich immer zu wissen, wo Ihre Schuldner wohnen.«
46
Ausgerechnet Reggae. Logan hasste Reggae, vor allem, wenn ihn der Radiowecker damit aus dem Traum riss. Logan stöhnte, haute auf die Schlummertaste und verkroch sich wieder unter die Decke. Von der anderen Seite des Bettes kam ein unverständliches Gemurmel, und dann wälzte Jackie sich herum, schlang die Arme um seinen Oberkörper und schmiegte das Gesicht in seine Halsbeuge. So warm und behaglich … Erst als der Wecker zum zweiten Mal losging, wachte Logan endgültig auf und erinnerte sich daran, dass er nicht mit ihr redete und warum.
DI Inschs Range Rover rollte am Bordstein aus. Der Motor knackte und tickte in der kalten Morgenluft. »Ist es das?«
Ma Stewart spähte aus dem Fenster und konsultierte dann den Zettel in ihrer Hand. »Haben Sie es schon mal mit einem von diesen Wunderbäumen versucht? Die wirken tatsächlich Wunder, wenn’s um Hundegerüche geht.« Das war ihre höfliche Art, anzudeuten, dass Inschs Auto stank.
»Ist – das – das – verdammte – Haus?«
»Ja. Aber dafür müssen Sie mich doch nicht gleich so anfahren. Ich meine ja nur.« Sie schniefte. »Die gibt es inzwischen in allen möglichen Duftrichtungen, nicht
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