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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Sache leichter, wenn die Beamten in den verschiedenen Ländern ihre Einsätze koordinierten.
    Vom vielen Telefonieren hatte sie einen trockenen Mund bekommen. Leichte Kopfschmerzen machten sich ebenfalls bemerkbar. Bald würde sie ihre Tage bekommen. Sie schloss die Augen, um sich vor dem grellen Tageslicht zu schützen. Freitagnachmittag. Eine höllische Arbeitswoche lag hinter ihr, aber es war noch viel zu tun, bis der Fall gelöst wäre. Jetzt hatten sie es mit fünf Morden und vier abgehackten Fingern zu tun. Fünf Morde waren mehr als vier Finger …
    »Aber Irene, sitzt du da und schläfst?« Tommys Stimme ließ sie zusammenzucken.
    »Nein. Ich habe Kopfschmerzen. Ich habe nur einen Moment die Augen geschlossen. Ich brauche Kaffee«, murmelte sie.
    Ohne ihn anzusehen, taumelte sie zum Kaffeeautomaten. Sicherheitshalber nahm sie zwei Becher mit in ihr Büro. Sie reichte Tommy den einen.
    »Nein, danke. Schließlich hast du die Kopfschmerzen. Trink«, sagte er freundlich.
    Irene fand noch ein altes Aspirin in ihrer Schreibtischschublade. Sie hatte keine Ahnung, wie lange es schon dort lag, aber die Folie und die Plastikverpackung waren noch intakt. Rasch schluckte sie die Tablette mit einem Mundvoll Kaffee hinunter.
    »Vielleicht hast du ja nicht die Kraft, zu diesem Frauenzimmer Kaegler-Ceder ins Östliche Krankenhaus zu fahren und die ›Wahrheit aus ihr rauszuquetschen‹«, meinte Tommy und imitierte Anderssons Stimme perfekt.
    Pech nur, dass der Kommissar in der offenen Tür stand. Er sah Tommy sauer an und sagte finster: »Ich habe gedacht, dass ihr schon auf dem Weg seid. Worauf wartet ihr noch?«
    Er drehte sich um und ging wieder in sein Büro, zufrieden damit, zumindest das letzte Wort behalten zu haben. Eigentlich war er zu ihnen gekommen, um sich nach dem Stand der Ermittlungen in Paris zu erkundigen. Aber das konnte warten. In Paris brauchten sie sicher das Wochenende, bevor sie irgendwelche Informationen liefern konnten. Beispielsweise das Kaliber der Geschosse, die Fenton getötet hatten.

KAPITEL 21
    »Sie schläft«, teilte die grauhaarige Schwester mit, die gerade aus dem Zimmer kam, in das Tommy hineinwollte.
    Sie schloss die Tür hinter sich. »Und sie darf nicht geweckt werden«, fügte sie energisch hinzu.
    Der Beamte im Vorraum war abgelöst worden. Jetzt saß dort eine junge Kollegin. Sie erzählte, Sannas Mutter und Schwester seien gegen elf Uhr kurz zu Besuch gekommen. Im Übrigen sei alles ruhig gewesen.
    »Dann gehen wir jetzt erst mal was essen«, entschied Tommy. Sie nahmen den Fahrstuhl zur Cafeteria. Sie war fast voll, aber es gelang ihnen, einen freien Tisch an den großen Fenstern zum Innenhof zu finden. Sie bestellten Schinkenpastete mit Salat und dazu Milch und Kaffee. Keine Haute cuisine, aber immerhin sättigend, fand Tommy. Als sie beim lauwarmen Kaffee angelangt waren, fasste sich Irene ein Herz und fragte: »Bist du mit den Kindern das ganze Wochenende bei deinen Eltern?«
    »Nein. Martin will Samstagabend wieder zu Hause sein. Seine Freundin veranstaltet eine Party. Aber Agneta genügt der Samstag, um ihre Sachen auszuräumen. Sie hat schon alles zusammengepackt.«
    Die letzten Worte klangen trübsinnig; er starrte dabei verloren in seine Kaffeetasse. Da platzte Irene der Kragen.
    »Mein Gott! Ihr seid immer so beherrscht und … diszipliniert! Keine Tränen, keine Vorwürfe … nichts!«
    Er sah auf und warf ihr einen harten Blick zu.
    »Was weißt du schon!«
    Irene versuchte, sich zu beherrschen. Verstohlen schaute sie sie sich um, aber niemand schien sie zu beachten.
    »Natürlich weiß ich überhaupt nichts, weil ihr nie etwas sagt! Ich begreife nicht, wie es euch gelungen ist … das Ganze geheim zu halten, die Fassade zu wahren. Und plötzlich stellt ihr einen vor vollendete Tatsachen. Ihr lasst euch scheiden.«
    Tommy holte tief Luft.
    »Es ist meine Schuld, dass es uns nicht gelungen ist, unsere Ehe zu retten«, sagte er leise.
    Er sah wirklich so aus, als sei er überzeugt davon, aber Irene wandte sofort ein: »Du brauchst doch wohl nicht die Schuld auf dich zu nehmen. Schließlich hat Agneta die Affäre mit diesem Arzt und will sich schei …«
    »Das ist nicht die ganze Wahrheit«, fiel er ihr ins Wort.
    Irene war verwirrt. Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Daher schwieg sie. Tommy schaute in den verglasten Innenhof hinaus, in dem sich die Blätter der Büsche bereits gelb färbten. Mit gedämpfter Stimme begann er wieder zu sprechen, ohne sein

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