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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Opalglas und schnaubte nur verächtlich.
    »Während Sie geschlafen haben, sind einige dramatische Dinge, die sich in der Welt ereignet haben, zu unserer Kenntnis gelangt«, fuhr Tommy fort.
    Er verstummte und sah sie eine Weile nachdenklich an. Um sich ihnen und ihren unangenehmen Fragen zu entziehen, schloss Sanna die Augen und gab vor einzuschlafen. Tommys nächste Frage veranlasste sie jedoch dazu, die Augen wieder zu öffnen.
    »Sie behaupten, vor zwei Tagen mit Edward Fenton am Telefon gesprochen zu haben. Stimmt das?«
    Sie nickte schwach. In ihren Augen war eine gewisse Unruhe auszumachen.
    »Was genau hat er gesagt?«
    Sie räusperte sich und krächzte: »Ich erinnere mich nicht mehr so richtig.«
    »Versuchen Sie es«, erwiderte Tommy knapp.
    Sie schloss wieder die Augen, und Irene sah, wie sie sich hinter den fast durchsichtigen, blau geäderten Lidern bewegten. Plötzlich schlug sie sie wieder auf.
    »Es sei jemand an ihn herangetreten und habe den Finger zurückgefordert. Genau wie ich hatte er ihn jedoch nach Erhalt weggeworfen. Die unbekannte Person hat Edward aufgetragen, mir mitzuteilen, dass auch ich meinen Finger zurückgeben soll. Außerdem sollte ich nach dem Finger suchen, den Kjell erhalten hatte. Falls ich dieser Aufforderung nicht nachkomme, würde Ludde etwas zustoßen.«
    Sie verstummte. Ihr Gesichtsausdruck wirkte gequält. Der Brief mit dem abgehackten Finger war natürlich eine unangenehme Erinnerung.
    »Sagte er sonst noch etwas?«
    »Nein.«
    »Wussten Sie vor diesem Gespräch, dass Kjell ebenfalls einen Finger erhalten hatte?«
    »Nein.«
    Irene beugte sich zu der blassen Gestalt im Bett vor und sagte ruhig: »Was stand in dem Erpresserbrief, den Sie vor drei Jahren zusammen mit dem Finger erhielten?«
    Sanna erstarrte und begann heftiger zu atmen.
    »Was in dem Brief stand? Daran erinnere ich mich nicht. Das ist so lange her«, versuchte sie auszuweichen.
    »Wir wissen, dass Sie etwas zu verbergen haben. Der Erpresser hatte ganz offensichtlich etwas gegen Sie in der Hand.«
    Ein Blick auf Sannas zusammengekniffene Lippen genügte, um klar zu machen, dass sie nicht vorhatte, sich darüber zu äußern. Tommy und Irene tauschten einen raschen Blick über die hellgelbe Frotteedecke des Bettes aus. Er nickte ihr aufmunternd zu.
    Irene dachte darüber nach, wie sie ihre nächste Frage formulieren sollte. Schließlich entschied sie sich dafür, den Stier bei den Hörnern zu packen.
    »Was für ein Verhältnis hatten … haben Sie zu Edward Fenton?«
    Hoffentlich hatte Sanna die Änderung des Tempus nicht bemerkt. Es hatte nicht den Anschein. Sie antwortete in sachlichem Ton: »Edward? Sein Bruder ist mit meiner Schwester verheiratet. Wir sehen uns nicht oft. Das gilt vor allem für die letzten Jahre. Er ist der Chef der Bank, die ph.com in finanziellen Dingen beriet. Wir hatten geschäftlich miteinander zu tun.«
    »Weshalb erhielt Edward ihrer Meinung nach einen abgehackten Finger?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete: »Keine Ahnung.
    Vielleicht, um ihm zu zeigen, was passieren kann, wenn man nicht zahlt.«
    »Was hatten die Erpresser gegen ihn in der Hand?«
    »Das sagte ich Ihnen bereits. Seine Bank ist eine Investmentbank. Sie arbeitet mit Risikokapital. Jemand war unzufrieden damit, wie er das Geld angelegt hatte. Was Unsinn war, denn schließlich verloren alle ihr Geld beim Börsencrash. Das war einfach so!«
    Irene fragte sich, ob Sanna eigentlich merkte, wie sie klang: quengelig und kindisch. Natürlich war niemand daran schuld, dass das ganze Geld verschwunden war, am allerwenigsten die kleine Sanna.
    »Aber derjenige, der ihn bedrohte, wollte sich nicht damit abfinden, dass er sein Geld verloren hatte, sondern forderte es zurück. War es so?«
    »Ja. Ich vermute«, seufzte Sanna.
    »Bei welcher Gelegenheit erzählte Ihnen Edward davon?«
    Es dauerte erstaunlich lange, bis sich Sanna eine Antwort zurechtgelegt hatte.
    »Bei dem Telefongespräch vorgestern«, sagte sie schließlich.
    »Vorher wussten Sie also nicht, dass er ebenfalls erpresst wurde?«
    »Nein.«
    »Wann erfuhren Sie, dass sowohl Edward als auch Kjell je einen Finger erhalten hatten?«
    »Wie schon gesagt: bei dem Gespräch vorgestern.«
    Irenes Stimme wurde wieder so freundlich wie zu Anfang der Vernehmung.
    »Welchen Eindruck hatten Sie von Edward, als Sie sich vor zwei Tagen mit ihm unterhielten?«
    »Eindruck? Er klang wie immer.«
    Offenbar verfügte Sanna über telepathische Kräfte und konnte Stimmen

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