Der erste Verdacht
Glauben Sie, dass Sie Ihrem Kind etwas zu essen geben könnten?«
Ein schwaches Zucken der Augenlider war die einzige Reaktion.
Irene seufzte und nahm das kleine, verheulte Bündel hoch.
Ein durchdringender Geruch stieg von dem Kind auf. Höchste Zeit zum Windelwechseln.
»Komm, Tommy. Du musst mir helfen, den Wickeltisch und die Fläschchen zu finden«, sagte Irene energisch.
»Bitte? Soll ich … sollen wir?«
»Ja. Schließlich ist es noch nicht lange her, dass du bei deinen eigenen Kindern die Windeln gewechselt hast.«
»Wie wahr. Natürlich werden wir dafür sorgen, dass der Kleine eine trockene Windel und einen Big Mac mit einer extra großen Portion Pommes und Ketchup bekommt.«
Er schnalzte mit den Lippen und kitzelte den Bauch des Babys. Noch einmal schluchzte das Kind auf und hörte dann auf zu weinen.
Nachdem sie verschiedene Türen geöffnet hatten, gelangten sie in ein großes Badezimmer, das bis zur Decke mit rosa Marmor verkleidet war. Auf einem riesigen Wickeltisch lag alles, was ein kleines Kind für seine tägliche Pflege brauchte. Irene wechselte die Windel und stellte fest, dass es sich um einen Jungen handelte. Diesen Verdacht hatte sie bereits beim Anblick der Babywippe und der Kleidung gehabt. Der Strampelanzug war aus superweichem Jeansstoff, und auf dem hellblauen Pullover stand in knalligen silbernen Lettern »Made in New York«. Als Irene den Kleinen vom Wickeltisch hob, begann er erneut zu wimmern. Jetzt, wo er trocken war, machte sich wieder der Hunger stärker bemerkbar.
Tommy war in die Küche vorgegangen. Als es Irene mit dem Baby auf dem Arm ebenfalls gelungen war, sich zu orientieren, hielt er ihr bereits triumphierend ein gefülltes Fläschchen entgegen, das er im Kühlschrank gefunden hatte.
»Jetzt gibt’s was zu futtern!«, meinte er gutgelaunt und stellte das Fläschchen in die Mikrowelle.
Auf dem Arbeitstisch unter der Mikrowelle lag der Gummisauger, den Tommy mit einer raschen Handbewegung festschraubte. Routiniert überprüfte er die Temperatur, indem er ein paar Tropfen auf die Innenseite des Handgelenks spritzte.
Dann reichte er Irene die angewärmte Flasche. Obwohl ein paar Jahre vergangen waren, seit seine Jüngste die Flüssignahrung hinter sich gelassen hatte, beherrschte er nach drei Kindern alles noch wie aus dem Effeff.
Irene beobachtete das Kind, das gierig an der Flasche zog. Sie befanden sich noch immer in der ultramodernen Küche mit dem Steinboden, den Küchenmaschinen aus Stahl und den Glasvitrinen. Sie schaute sich nach einem Stuhl um, aber es gab nur ein paar hohe Barhocker an einer Theke. Irene lehnte sich gegen einen der Hocker, und der Junge trank laut schlürfend die letzten Tropfen. Dann lehnte sie ihn gegen ihre Schulter und klopfte ihm leicht auf den Rücken. Als Belohnung kam ein ordentliches Bäuerchen.
»Möwenschiss auf der Jacke, Huss«, kommentierte Tommy.
Es lokalisierte den Küchenkrepp in einem Stahlzylinder. Dann half er Irene, den Fleck wegzuwischen.
Auf dem Weg ins Wohnzimmer schlummerte der Kleine ein. Er schlief schon tief, als Irene ihn wieder in die Babywippe setzte. Sie breitete eine weiche gelbe Decke über ihn, die über einem der Stühle hing.
Sanna Kaegler-Ceder hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Katatonisch saß sie in derselben Stellung da, in der sie sie zurückgelassen hatten. Sie trug eine hellbraune Wildlederhose und ein tief ausgeschnittenes kobaltblaues Top. In ihrem Ausschnitt funkelte ein großes, über und über mit funkelnden weißen und blauen Steinen besetztes Kreuz. Die intensiven Lichtreflexe konnten nur von echten Diamanten und Saphiren herrühren. Sanna Kaegler-Ceder trug ein Vermögen um den Hals. Und die Kapitalreserve funkelt am linken Ringfinger, dachte Irene, als sie den Blick auf Sannas Hände senkte.
Åhlén, der Mann von der Spurensicherung, streckte seinen Glatzkopf durch den Durchgang zum Fensterzimmer. Er gab Irene und Tommy ein Zeichen. Sie gingen auf ihn zu, begrüßten ihn und warteten dann gespannt. Wie immer schob Åhlén seine Brille mit den dicken Gläsern mit dem linken Zeigefinger auf seiner Kartoffelnase höher, ehe er zu sprechen begann: »Ich habe der Gattin bereits die Fingerabdrücke abgenommen und ihre Jacke in Verwahrung genommen. Keine sichtbaren Schmauchspuren. Wir müssen die Analyse abwarten. Das Verbrechen fand hier statt. Waffen haben wir keine gefunden.«
»Bist du dir ganz sicher, dass wir hier den Tatort haben?«, wandte Irene ein.
»Zweifellos. Schau
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