Der erste Versuch
aufrecht, dem Land erwartungsvoll
entgegensehend. Da ragte plötzlich vor dem linken Rumpf
etwas ein Weniges über die Wasseroberfläche. Sie dachte
noch: „Ein Wal“, sagte sich: „Quatsch, nicht im Mittelmeer.“
Aber da kam der ungeheure Schlag, der sie emporwirbelte, im
hohen Bogen in die Luft schleuderte. Sie spürte das
Aufklatschen auf dem Wasser und etwas unerträglich Hartem.
Und danach war nichts mehr…
Alina hob den schmerzenden Kopf, öffnete die Augen. Nacht.
Aber direkt vor ihr in einiger Entfernung eine Reihe von
Lichtern, die sich in den wasserübersprühten Augen strahlig
wie Weihnachtssterne formten.
Sie befand sich auf einem aus der See ragenden Felsen, die
Beine und der untere Körperteil im Wasser. Kopf, Brust und
rechter Arm lagen auf Gestein in einem breiten Spalt, sodass
ein Herabgleiten verhindert wurde.
Das salzige Wasser machte zahlreiche Hautabschürfungen,
besonders eine an der Schläfe, schmerzlich spürbar. Andere
Verletzungen aber konnte Alina nicht feststellen. Vorsichtig
bewegte sie die einzelnen Gliedmaßen. Dann kroch sie
gänzlich aus dem Wasser, fand eine einigermaßen bequeme
Sitzhaltung; sie schlang die Arme um die Knie, blickte zum
Ufer und begann ihre Lage zu überdenken.
„Sie werden gesucht haben, schließlich ging es um ihre
Mitarbeiterin, ihr Boot. Mich haben sie auf dem Felsen nicht
gesehen – verschollen, ertrunken… Auch Milan, auch Milan
muss das annehmen, denn bestimmt hat man ihn von meinem
Kommen informiert, bei dem Sicherheitsfimmel, den die
haben.“ Alina richtete den Oberkörper auf. Einen Augenblick
überkroch sie Furcht und so etwas wie Verzweiflung. Doch sie
fasste sich schnell, lächelte. Deutlich war drüben die Silhouette
der Uferlinie auszumachen, einige Baumkronen gegen den
dunklen Himmel, und die Lampen strahlten jetzt hell und ohne
Korona. Alina wusste, dass sie spielend das Land schwimmend
erreichen würde, und noch empfand sie die Luft nicht zu kühl,
trotz der nassen Kleider. Aber der Gedanke regte sie an. Sie
zog sich bis auf die Unterwäsche aus, bündelte die
Oberbekleidung: Hose, Pullover und Schuhe.
Sie stellte mit Genugtuung fest, dass ihre Handtasche noch an
ihr hing und band mit deren Riemen die Kleidungsstücke
zusammen. Während dieser Tätigkeiten fasste sie den
Entschluss: Zuerst ans Land, dann weitersehen. Es kamen
zunächst nur diese Alternativentscheidungen in Frage:
abwarten, vielleicht Milan aufsuchen, mit ihm erst sprechen –
oder sofort anderwärts Hilfe in Anspruch nehmen. „Wohin das
Pendel ausschlägt, wird sich zeigen, wenn ich drüben bin und
in welcher Verfassung und – was ich so vorfinde. Herzlich
willkommen scheint man bei denen nicht zu sein.“
Alina schob sich ihr Bündel über den rechten Oberarm und
ließ sich ins angenehm temperierte Wasser gleiten. Sie nahm
sich einen Lichtpunkt zum Ziel, der links – wenn sie sich nicht
täuschte – neben der Mole leuchten mochte, und begann ruhig
und ausgeglichen darauf zu zu schwimmen. Streckenweise ließ
sie sich lediglich treiben oder wechselte in die Rückenlage,
aber zu keinem Zeitpunkt spürte sie Müdigkeit oder Schwäche.
Sie wunderte sich, als sie auf Grund stieß und so das Ende
der unfreiwilligen Schwimmpartie erreicht sein sollte. Sie hatte
sich die Entfernung größer vorgestellt.
Alina watete ans Ufer, was sich der Steine wegen als äußerst
beschwerlich erwies. Der leichte Wind kühlte sie unangenehm
ab. Sie machte sich auf den Weg zu einem etwas heller
beleuchteten Gebäudekomplex rechter Hand, zunächst
entschlossen, sofort irgendwo Einlass zu erbitten. Anderes
erschien ihr zu unsicher.
Sie spürte einen befestigten Weg unter den Füßen und begann
munter auszuschreiten.
Nach wenigen Metern fuhr sie zu Tode erschrocken
zusammen: Gleichzeitig mit einem sehr lauten „Halt!“ wurden
zwei kräftige, blendende Scheinwerfer auf sie gerichtet, von
deren Trägern sie außer ein paar Fingern nichts sah.
Dann sagte eine Männerstimme: „Leuchte!“
Was beleuchtet werden sollte, wurde sogleich klar, als Alinas
Arme ziemlich brutal nach hinten gebogen und die Hände mit
einem Stoppband zusammengeschnürt wurden.
Alina hatte sich so weit gefangen, dass sie begriff, was mit
ihr geschah. „Mensch, das tut doch weh!“, rief sie.
Ein kurzes weibliches Lachen flog auf, gefolgt dann von der
ziemlich barschen Stimme: „Vorwärts, Täubchen!“
In einigen Metern Entfernung sprach der Mann offenbar in
ein Handgerät, meldete wahrscheinlich
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