Der erste Versuch
Lächeln.
Die Nachricht von Zweihundertvier, dem Langzeit-Agenten
auf Unije, war denkbar knapp. Da er sie jedoch außerhalb der
vereinbarten Zeiten übermittelt hatte, musste der Tatbestand
ihm wichtig erscheinen. Und das war es wohl dann auch, wenn
möglicherweise eine Enttarnung von Emzwei damit im
Zusammenhang stünde.
„Emzwei, Milan…“ Einige Sekunden gab sich Cathleen
Creff der Erinnerung hin. „Ihm wird schon nichts passieren“,
dachte sie, als sie die Wiedergabetaste drückte.
„Ein Wachboot hat um elfuhrsiebenundsiebzg eine etwa
dreißigjährige Frau namens Alina Merkers gestellt, die
behauptet, vom Mars zu kommen und unbedingt Milan
Nowatschek sprechen zu müssen. Ein Pulaer Einwohner hat
sie geschippert; er hat mit der Sache nichts zu tun. Bis zu einer
Entscheidung wird die Frau auf See durch unser Wachboot
festgehalten. Ich bleibe auf Frequenz, versuche Zeit zu
gewinnen. Ende.“
Cathleen Creff stoppte das Gerät, sah zur Uhr.
„Elfuhrachtundachtzig, flotter Bursche“, murmelte sie
anerkennend. Und dann begann sie eilig, aber ohne Hast am
Sender Frequenzen zu verändern. Dann ein Piepton, die
Gegenstation signalisierte: empfangsbereit.
„Achtung!“ Cathleen Creff sprach leise, als müsse sie sich –
ungeachtet der technischen Raffinesse des digitalen
konspirativen Kommunikationssystems
– gegen einen
Lauscher schützen. „Vor der Hafeneinfahrt liegt seit
elfuhrsiebenundsiebzig ein Wachboot der Company, auf dem
sich eine Besucherin befindet, die die Insel nicht erreichen
darf. Ein Unfall wird unbedingt bevorzugt. Handeln sofort
notwendig da jeden Augenblick eine Landegenehmigung erteilt
werden kann. Ende.“
Nach wenigen Augenblicken kam das Signal, dass die Order
auf dem U-Boot störungsfrei empfangen worden war.
Eine zweite kurze Nachricht ging zu Zweihundertvier nach
Unije: „Danke, Reaktion eingeleitet. Ruhe für dich, Ende.“
Eine Sekunde überlegte Cathleen, ob eine dritte Nachricht an
Emzwei abzusetzen notwendig wäre. Sie entschied sich für
nein. „Hatte Milan gelogen, als er jede engere Beziehung
bestritt? Wer ist dann diese Alina? Es rächt sich“, dachte sie,
„dass ich die Unterlagen nicht gründlich gelesen habe.“ Sie
blickte zur Uhr. Das Versäumnis jetzt nachzuholen, blieb keine
Zeit. „Oder ist es eine einseitige, ausschließlich ihre Sicht?
Wenn diese Alina tatsächlich von einer Marsstation kommt,
könnte es sein, dass sie vor lauter Einsamkeit und Erdweh in
eine harmlose Bekanntschaft eine innige Beziehung
hineingesehnt hat, vielleicht gar an eine solche glaubt. So
etwas soll es geben. Und wenn doch wirklich…?“
Cathleen hob in einer fatalistischen Pose die Schultern. „Er
wird von der Company-Leitung über die Besuchsabsicht dieser
Alina informiert worden sein, wird sich bekennen müssen, ob
er sie empfangen will oder nicht, wenn ja, wird er eine
Sicherheitsbürgschaft abzugeben haben.“ Cathleen Creff
blickte erneut zur Uhr. „Das ist jetzt alles im Gange…
Und wenn Milan sie empfangen will, darf, oder gar die
Genehmigung für ein Treffen auf dem Festland erhält – nun,
ein Unfall… Das ist höhere Gewalt, da kann man nichts
machen. Sie ist so oder so ein Sicherheitsrisiko!“
Nur einen winzigen Augenblick dachte Cathleen daran, dass
das alles den Milan Nowatschek betrifft, mit dem sie einige
schöne Stunden… der ihr womöglich vertraute.
Fast hätte sie bei dem Gedanken aufgelacht. „Vertrauen in
dieser Zeit, eine Nostalgieduselei, ein Hemmschuh für
Tüchtige!“
Plötzlich riss eine Erkenntnis Cathleen aus ihrem fruchtlosen
Denken: „Sie meint Emeins! Diese Alina meint Emeins!“ Sie
atmete tief durch und ließ diese Einsicht eine kleine Weile auf
sich wirken. Dann sagte sie befriedigt und inbrünstig laut vor
sich hin: „Umso weiser Mannas’ Entscheidung…“
13. Kapitel
Alina kam langsam zu sich. Zuerst spürte sie das rhythmische
Auf und Ab der Nässe und des Drucks auf ihren Unterkörper
und die rechte Hand. Jedes Mal, wenn diese Berührung
wiederkam, entstand am Arm ein Brennen. Dann fühlte sie
eine schmerzhafte, unerträgliche Pressung in den Rippen, als
wolle sie jemand mit einem sehr stumpfen Gegenstand
durchbohren. Die linke Gesichtshälfte schien auf ein Reibeisen
geraten zu sein.
In der Absicht, den Schmerz zu lindern, versuchte sie den
Oberkörper zu drehen.
Plötzlich fiel die Ohnmacht gänzlich von der Frau, und das
ganze Geschehen stand überdeutlich vor ihr: Sie sah sich am
Heck des Katamarans,
Weitere Kostenlose Bücher