Der erste Versuch
einmal
wuchtig sein Denken: „Ist dieser andere Milan Nowatschek irgendein Mann, egal ob konkret oder virtuell, oder – mein
Bruder, mein Zwillingsbruder? Sehe ich ihm ähnlich?“
Als er beim letzten Treff mit Cathleen Creff in harmonischer
Zweisamkeit noch einmal anklopfte, war sie bei ihrer
Behauptung, sie wisse es nicht und es spiele doch keine Rolle,
geblieben. Mit einem Kuss hatte sie weiteres Fragen erstickt…
Mit dem Vorsatz, es auf die Begegnung ankommen zu lassen
und seine Reaktionen von den ihrigen abhängig zu machen,
begab er sich auf den Weg zum Hafen. Schließlich könnte das
Treffen auf ein Missverständnis, eine fehlerhafte
Datenrecherche zurückgeführt werden. „Nowatschek ist kein
seltener Name. Wenn sie mich nicht als ihren Milan erkennt,
ist der Fall ein für alle Mal abgeschlossen.“
Mit wiedergewonnener Zuversicht schritt Milan dem Ereignis
entgegen, einigermaßen sicher, dass das Treffen mit der
unbekannten Alina seinen Job wohl kaum beeinträchtigen
würde. Allerdings, so hoffte er, sollte beim ersten Kontakt mit
dieser Frau keiner von den Hiesigen dabei sein.
Als Milan das Hafengelände erreichte, erblickte er sogleich
etwa einen Kilometer entfernt draußen einen zur Wachflotte
gehörenden Katamaran, an dem längsseits ein Motorboot
anlag.
Er hatte das Ende der Mole noch nicht erreicht, als das Schiff
Fahrt in Richtung Hafen aufmachte, das andere Boot einen
Bogen beschrieb und sich anscheinend von der Insel entfernte.
Der Katamaran hielt flott auf das Ufer zu, wich elegant
einigen aus dem Wasser ragenden Felsen aus, und in wenigen
Minuten würde er die Hafeneinfahrt erreicht haben. Am Heck
des linken Bootskörpers stand ein Mensch.
Milan sah dem Kommenden erwartungsvoll entgegen.
Verhehlen konnte er nicht, dass sich seiner eine gewisse
Erregung bemächtigt hatte.
Er wich einer Pfütze aus.
Als Milan einen Augenblick später wieder aufsah, hatte sich
das Bild draußen total und erschreckend verändert: Der
Katamaran flog gleichsam auseinander. Elektrische
Entladungen blitzten. Der linke Rumpf zersplitterte, als sei er
mit voller Wucht auf ein Hindernis aufgekracht, der rechte
bäumte sich in die Luft und versank mitsamt der Kajüte in
wenigen Sekunden. Das Wasser ringsum schäumte, Trümmer
tanzten umher.
Wenig später war ein dumpfer Knall zu vernehmen.
Milan stand wie erstarrt. Dann wendete er sich um, in der
Absicht, die Mole zurückzurennen, Hilfe zu holen. Aber da
löste sich bereits ein Schnellboot der Hafenwacht, das Kurs auf
die Unglücksstelle nahm; ein zweites folgte.
Milan stand am äußersten Ende der Mole und beobachtete
voller Unruhe das Suchmanöver. Freilich, diese Alina kannte
er nicht, sie bedeutete ihm nichts, brachte womöglich Gefahr.
Aber etwas neugierig auf sie war er geworden, und ein solches
Ende musste es wohl nicht sein.
Andere Zuschauer hatten sich eingefunden. Dann sah man,
wie ein Körper in eines der Boote gehievt und die Suche
offenbar erfolgreich beendet wurde. Beide Fahrzeuge strebten
ohne Eile der Hafeneinfahrt zu.
Milan formte die Hände zum Trichter und rief: „Habt ihr die
Frau, lebt sie?“
„Wir haben sie“, rief einer der Sanitäter zurück.
„Ja!“
Milan atmete auf. Erleichtert ging er zurück. Als er sein
Harmonogramm abgeliefert hatte, rief er die Krankenstation.
Er erfuhr, dass die Verunglückte zwar verletzt und noch nicht
ansprechbar sei, sich aber außer Lebensgefahr befinde. Sicher
könne man sie bald besuchen.
Irgendwie konnte sich Milan des Eindrucks nicht erwehren,
seine Nachfrage sei durch die Diensthabende
Krankenschwester mit einiger Verwunderung aufgenommen
worden.
Gegen Abend, gleich nach der Inspektion der Baustelle,
begab Milan sich in die Krankenstation. Als er das Gebäude
betreten wollte, kamen ihm zwei Angehörige des
Wachdienstes entgegen, die im Laufschritt zum Hafen eilten.
Er hörte noch, wie der eine rief: „Wer kann denn so was
ahnen.“
Und wieder hatte Milan das Gefühl, als ob sein Wunsch, die
verunglückte Frau aufzusuchen, bei der Dame an der
Rezeption ein Erstaunen auslöste. „Zimmer sechsundzwanzig“,
sagte sie. „Aber nur kurz, sie ist ruhebedürftig. Die zwei von
der Wache haben sie eh schon aufgeregt.“
Milans Herz klopfte ein wenig schneller, als er kurz klopfte
und eintrat.
Ein rundes Gesicht mit einem leichten Kopfverband darüber
drehte sich ihm zu. „Hallo“, sagte sie. „Was willst du wissen –
aber du bist ja gar nicht von der Sicherheit.“
Milan blickte irritiert, und
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