Der erste Versuch
bisschen hast du dich gewehrt, im Gegenteil…“
Alina lächelte im Zwiegespräch mit sich. „Und wie der Mann
sich verändert hat! Ob es mit dem Älterwerden
zusammenhängt, dass man jede Sekunde auslebt, jede Phase
genießt, dem anderen sich rückhaltlos zuwendet? Er muss
durch sein Erleben, sein Enttäuschtsein zu einer anderen, einer
höheren Lebensqualität gefunden haben! Ein neuer Anfang für
uns?“ Alina schüttelte den Kopf. „Nein, eine Vollendung, ein
wunderbarer Abschluss einer wunderbaren – ja, gewiss, alles
in allem, wunderbaren Beziehung. Er baut sein HAARP, ich
begrüne den Mars, und beide werden wir diese Erinnerung
haben!“
Milan kam nackt aus der Badkabine. Als er sie munter sah,
beugte er sich über sie, gab ihr einen spitzen Kuss und sagte
fröhlich: „Hallo, guten Morgen – ich muss leider gleich los,
schlaf du weiter. Ich denke, dass ich mich ab Mittag
freimachen kann
– Festland? Ich würde versuchen, die
Genehmigung zu bekommen.“
Alina nickte nachdrücklich. „Schön“, sagte sie. „Zum
Kolosseum. – Oh, wo hast du dein Mäuschen gelassen?“
Milan verhielt einen Augenblick, als wäre er in Klebstoff
getreten. Er hatte Alina den Rücken zugekehrt und sich in
Richtung Kleiderbox entfernt, als ihn ihr Ruf ereilte.
„Was für ein Mäuschen?“, fragte er hellhörig, ohne sich
umzudrehen.
„Nun, das kleine Fellchen auf der linken Hinterbacke.“
„Ach das“, sagte er so gleichgültig wie möglich. „Das hab ich
wegmachen lassen, weil – weil, es hätte eine Wucherung
werden können. Wo, wo ist denn die graue Hose…“ Er befand
sich an der Box und wühlte in den Kleidungsstücken, hatte
sich aber so gestellt, dass Alina seine Hinterpartie nicht mehr
einsehen konnte.
„Das haben die aber gut gemacht. Nichts mehr zu sehen,
nicht die kleinste Narbe“, stellte Alina dennoch fest.
„Mit Laser“, murmelte Milan. „Ah, da ist sie ja!“ Es klang
erfreut, und er entnahm der Box das Kleidungsstück.
Alina vertrödelte den Vormittag. Sie frühstückte ausgiebig,
räumte ein wenig auf und begab sich danach ins Freie.
Es war ein lauer Sommertag mit Fotografierwolken, die die
Sonnenstrahlen dosierten, und es wehte ein leichter Wind von
See her, der keine drückende Wärme aufkommen ließ.
Alina fühlte sich wohl wie selten. Sie inspizierte das
Wohnareal, insgesamt zwar trist, weil aus gleichartigen
Containern zusammengesetzt, aber geschickt in den
Buschwald integriert, doch eine gewisse Behaglichkeit
vermittelnd. Sie entdeckte noch einige Verkaufsautomaten, an
denen sie beim Bootsunfall verloren gegangene Kleinigkeiten
ersetzte. Diese und einige Lebensmittel deponierte sie in der
Wohnung und machte sich zu einem größeren
Erkundungsgang auf, ungeachtet des Umstandes, dass sie
schon im Wohngebiet bemerkt hatte, dass ihr abwechselnd
zwei Leute, ein junger Mann und eine Frau, so unauffällig wie
möglich folgten. Es fiel ihr deshalb beizeiten auf, weil sich auf
Wegen und Straßen um diese Stunde kaum Menschen
bewegten. „Sollen sie“, dachte Alina ein wenig belustigt,
„wenn es ihr Sicherheitsbedürfnis verlangt und befriedigt.“
Sie ging dem Lärm nach und befand sich nach dem Passieren
eines Buschstreifens staunend an der Einfriedung des
Antennenfeldes. So hatte sie sich das, auch nach intensiverem
Studium des HAARP-Projekts, nicht vorgestellt, so gewaltig
und – beängstigend. Wie ein gespenstischer Wald standen
bizarr die mächtigen Masten mit den filigran wirkenden
Antennen darauf, und rechter Hand, dort wo mit schwerem
Gerät Fundamentklötze beseitigt und bereits neue gegossen
wurden, setzte sich das Ganze noch unübersehbar fort.
Zwischen Maschinen und Leuten glaubte sie auch Milan
auszumachen, aber sie hatte nicht vor, ihn aufzusuchen.
Gedankenvoll sah sie dem Treiben hinter dem Zaun eine
Weile zu. Sie dachte an die unvorstellbar große Energiemenge
– eine, wie sie noch niemals auf eine derartige Fläche
konzentriert worden war –, die pulsierend in die Ionosphäre
geschossen werden würde. „Und wenn die Skeptiker, die
Kritiker und Gegner Recht behielten? Wenn neben den
gewünschten, bekannten Effekten andere, bislang unentdeckte,
gefährliche auftreten, wenn die dort oben durch den Beschuss
erzeugte Sekundärenergie eine globale Kettenreaktion…?“
Alina seufzte. Sie wusste, dass ihre Kenntnisse um das
Vorhaben nicht ausreichten, Eventualitäten und Risiko
abzuwägen. Und eigentlich wollte sie das auch nicht. Sie hatte
das Empfinden, es lebt
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