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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sie ihm den Bruder
vorenthalten haben? Aber warum hätten sie das tun sollen, was
für ein Motiv gäbe es?“
    Sie kam ins Grübeln. Doch wie sie auch hin und her
überlegte, ein plausibler Grund, weshalb Eltern so handeln
sollten, fiel ihr nicht ein. Sie hatte nie den Eindruck gehabt,
Milans Verhältnis zu seinen Erzeugern sei schlecht gewesen.
    „Also bleibt die heimliche Aufzucht eines Zwillings, und zwar
eines äußerlich identischen, was bedeutet, dass die körperliche
Entwicklung beider gleich verlaufen muss. Schließlich könnte
man den einen zum Asketen, den anderen zu einem Dickwanst
machen. Wer steckt mit welchem Ziel dahinter? Und heimlich
heißt im Allgemeinen lichtscheu, im Verborgenen, unlautere
Absicht.“
    Je mehr Alina über das Verhalten des Milan auf Unije
nachdachte, desto sicherer wurde sie in der Annahme, dass um
die Nowatscheks etwas beängstigend Unredliches geschah. „Er
hat mich bewusst getäuscht, indem er vorgab, mich zu kennen.
Demnach muss er also von meiner Existenz, von meiner
Beziehung zu Milan gewusst, sich auf mich vorbereitet haben.
Das Ganze hat aber nur Sinn, wenn vom ,alten’ Milan
abgelenkt oder der ,neue’ nicht als solcher entdeckt werden
soll.
    Milan wollte sich fünfzig Jahre aus dem Verkehr ziehen mit
Hilfe dieser verflixten Zweitlebensvereinigung. Und wenn er
es getan hat?“
    Alina stand auf, wanderte erregt im Zimmer hin und her; sie
spürte, der Lösung nahe zu sein, versuchte, ihre Gedanken zu
ordnen. Und dann wusste sie: „Dieser hier: das Ebenbild,
benutzt die Identität des anderen für ein von langer Hand
vorbereitetes falsches Spiel!“ Und plötzlich entstand das Bild
ihres Unfalls mit dem Katamaran in ihrem Erinnern mit der
Behauptung der Skipperin, auf keinen Fall ein Riff gerammt zu
haben. „Ich sollte gar nicht ankommen auf Unije, weil jemand
annahm – Milan selber? –, ich entdecke das Falsifikat. Leider
gelang das zu spät, Mister Unbekannt. Aber ich bereue nichts,
nun erst recht nicht. Es waren zwei schöne Tage. Und als
Zugabe nun noch dieses Unglaubliche!
    Nun, ich bin reingefallen. Aber noch ist nicht aller Tage
Abend, wie Mutter oftmals sagte. Ich werde ihn entlarven! Ich
werde…“ Alina setzte sich aufs Bett, ihr Gedankengang
stockte. „Gar nichts werde ich“, überlegte sie dann kleinlaut.
„Ich habe mit ihm geschlafen, und jetzt komme ich und
behaupte, er sei der falsche. Lächerlich würde ich mich
machen. Und was habe ich schon für Beweise? Wenn diese
Sache von langer Hand vorbereitet wurde, wenn damit ein
Ziel, und angesichts des HAARP-Projekts wohl ein
bedeutendes, erreicht werden soll, wird man nonchalant mit
einer liebeshungrigen Zicke erst recht fertig werden,
gleichgültig, was sie vorzubringen hat. Milan, meinen Milan,
müsste ich finden…“
    Alina barg ihr Gesicht in den Händen. „Komm zurück auf
den Boden, altes Mädchen. Wir haben uns getrennt! Milan ist
bewusst aus dem gegenwärtigen Leben geschieden. Es ist dies
doch ein Zeichen, dass ein Schlusspunkt gesetzt wurde. Also!
Mit welch dummer Illusion bist du eigentlich auf die Suche
gegangen? Doch nur, weil es so aussah, als habe der Mann sich
anders entschieden – in Bezug auf seinen Schlaf, in Bezug auf
dich. Nun, es war ein Irrtum. Milan schläft vermutlich doch. Er
verschläft seine Vergangenheit, verschläft dich, Alina,
endgültig. Was geht es dich an, wenn sich auf Unije Dinge
abspielen, bei denen ein falscher Milan eine Rolle spielt, den
du mit deinem Besuch womöglich in Schwierigkeiten gebracht
hast. Freilich, die Sache ist mysteriös, vielleicht kriminell.
Aber wo schon spielen heute menschliche Werte und
wohlmeinende Gesetze eine Rolle. Also, Alina! Du hast deine
Arbeit, Berlin, der Mars stehen bevor. Dort ist Connan…“
    Alina suchte jenen freundlichen Nik. Da sie lediglich sein
zugedecktes Boot fand, hinterließ sie ihren Obolus mit ein paar
freundlichen Dankeszeilen, und sie schob den Umschlag unter
die Persenning.
    Trotz aller Vorsätze verbrachte sie den Rest des Tages in
Pula arg unentschlossen. Handelte sie richtig, musste sie jenen
nicht zur Rede stellen, war sie Milan nicht eine Klärung
schuldig, auch wenn er gegenwärtig ohnmächtig… Oder
gerade deswegen? Was findet er vor, wenn er aufwacht?
Welches Erbe hinterlässt ihm der Zwielichtige auf Unije?
    Alina spürte, dass sie trotz aller logischen Erwägungen die
Zweifel nicht loswerden würde. Sie rief in Berlin an, in der
Hoffnung, eine Entscheidung werde ihr

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