Der erste Weltkrieg
aufflackernden Proteste gegen das regelrechte «Verheizen» von jungen Männern an der Front, die in Frankreich im Frühjahr 1917 gar in Meutereien gipfelten. Kurzum, 1918 waren in Anbetracht der vielen Fehlkalkulationen ihrer Führer die Mannschaften auf beiden Seiten an sich reif zur Kapitulation. Es war die Ankunft frischer amerikanischer Truppen an der Westfront, die die letzte und verzweifelte Frühjahrsoffensive der Deutschen zu stoppen half und dann das Blatt gegen die Deutschen wendete.
Ein weiteres eklatantes Beispiel für schlechte Planung und Führung, diesmal auf alliierter Seite, bietet der Verlauf der Schlacht an den Dardanellen im Frühjahr 1915 gegen die Türken. Diese Operation, die u.a. die Karriere des jungen Winston Churchill in England beendete, war teils zur Entlastung der Zarenarmee gedacht, nachdem diese im Kaukasus gegen die türkischen Truppen in Bedrängnis geraten war; teils als Versuch, die Pattsituation an der Westfront von Südosten her aufzubrechen. Mit diesen Hoffnungen hatten die Engländer und Franzosen bis März 1915 starke Marineverbände und fast 500.000 Mann für eine Landung auf der Halbinsel von Gallipoli zusammengezogen. Der Versuch britischer und französischer Schlachtschiffe, die Öffnung der engen Wasserstraße zum Schwarzen Meer hin zu erzwingen, schlug schon Mitte März in den türkischen Minenfeldern fehl, in denen mehrere Schiffe entweder sanken oder manövrierunfähig wurden.
Derweil trafen die gelandeten alliierten Truppen direkt an der Küste auf den hartnäckigen Widerstand der Verteidiger. Besonders blutig ging es dann an der so genannten «Anzac Cove» zu, wo auch australische und neuseeländische Truppen eingesetzt worden waren.
Die Alliierten konnten dort zwar einen kleinen Brückenkopf errichten; aber die Türken stoppten ihren weiteren Vormarsch, ehe sie zum Gegenangriff übergingen, der die Evakuierung der alliierten Truppen erzwang. Die sich an die Steilküste verkrallenden Soldaten gaben ein entmutigendes Bild ab. Bei den Australiern und Neuseeländern allein gab es 34.000 Tote. DieTürken verloren 250.000 Mann, hatten freilich die Genugtuung eines großen Sieges. Fragt man nach den Gründen für die alliierte Niederlage, so wird man außer dem Verteidigungswillen der türkischen Truppen vor allem auch die Inkompetenz der Kommandeure nennen müssen, die die Operationen ungenügend miteinander koordiniert und ihre Männer falsch ausgerüstet hatten.
Während die Gallipoli-Schlacht die Zivilbevölkerung nur wenig in Mitleidenschaft zog, war eine Folge der Sicherung der türkischen Stellung im Nahen Osten der von der Führung befohlene Massenmord an den Armeniern. An dieser Untat zeigt sich besonders drastisch, wie sehr mit der Totalisierung des Weltkrieges die herkömmliche Unterscheidung zwischen Front und Heimatfront schon 1915 zusammenbrach. In diesem Falle scheint es sogar möglich zu sein, eine direkte Verbindung zwischen den beiden Fronten zu ziehen.
Schon in den 1890er Jahren war es in Anatolien, wo die christlichen Armenier, wie auch im benachbarten Russland, ansässig waren, zu blutigen Ausschreitungen gegen diese Minderheit gekommen, die z.T. von muslimischen Geistlichen angezettelt worden waren. Die ethnischen Spannungen setzten sich bis in die letzten Vorkriegsjahre fort. Folgt man den Berichten, die deutsche Diplomaten bald nach dem türkischen Kriegseintritt über den Verbündeten nach Berlin sandten, so kam es schon früh zu Überlegungen der Regierung, den Krieg zugleich zur Lösung der armenischen Frage zu benutzen. Aus diesem Grunde ist es kein Zufall, dass die erneuten Verfolgungen und Ermordungen der Armenier im Frühjahr 1915 begannen. Allerdings kam als unmittelbarer Auslöser offenbar noch das Gefühl der Regierung hinzu, von Feinden eingekreist zu sein. Im Westen begann damals die Invasion der Dardanellen, während sich im Nordosten die auf der russischen Seite lebenden Armenier der Zarenarmee angeschlossen hatten und die Türken in Anatolien bedrohten.
So begannen gleichzeitig mit der Verteidigung der Gallipoli-Halbinsel im Innern des Osmanischen Reiches zunächst die Verhaftungen der armenischen Führer, die sich schnell zu einemVölkermord ausweiteten. Von der Armee organisiert, wurden Männer, Frauen und Kinder aus ihren Dörfern und Städten in die südöstlichen Wüsten von Mesopotamien getrieben. Dabei kamen mindestens 500.000 von ihnen infolge von Krankheit und der harten klimatischen Bedingungen um. Die Vertreibungen
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