Der erste Weltkrieg
Armeen inzwischen kaum weniger demoralisierend. Der Ausgang der Marne-Schlacht und der Beginn des Stellungskrieges im Westen bedeuteten, dass der große Transfer von Truppen nach Osten nicht stattfand. Nicht weniger bedrohlich war für den Zweibund, dass die Russen ihre Armeen schneller an die Front warfen, als man nach Moltkes Plänen angenommenhatte. Schon Mitte August 1914 bedrohten sie Ostpreußen und stießen nördlich und südlich der Masurischen Seen nach Westen vor. Doch dann gelang es dem reaktivierten General Paul von Hindenburg in kühnen Manövern, die schlecht geführten und ausgebildeten russischen Truppen bei Tannenberg in die Flucht zu schlagen. Auch in der eine Woche später beginnenden Schlacht bei den Masurischen Seen trugen die Deutschen den Sieg davon. Im Oktober begann der Gegenangriff auf die polnischen Territorien des Zarenreichs, der im Dezember nach weiteren Gebietsgewinnen abgebrochen wurde.
Derweil führten die Russen und Habsburger weiter im Süden einen noch blutigeren Bewegungskrieg, bei dem die Zarenarmeen erst den österreichisch-ungarischen Angriff stoppten und dann zurückrollten, bis sie die Festung Przemysl belagerten, ohne sie einnehmen zu können. Innerhalb von drei Tagen kamen dabei 10.000 Russen um. Dann ereilte die Habsburger dasselbe Schicksal: Als sie der Armee von Alexei Brussilow nachsetzten, stellte sich schnell heraus, dass die Truppen des Generals Viktor Dankl von Krasnik zu schwach waren und nun ihrerseits zum Rückzug gezwungen waren. Bei diesen Kämpfen verlor Dankl über 40.000 Mann. Eine deutsche Hilfe war dringend erforderlich. Zwar konnte Berlin dem geschwächten Bündnispartner nicht die versprochenen Divisionen aus dem Westen schicken, dafür aber brachten die weiteren Erfolge Hindenburgs im Norden Entlastung. Nach den letzten Gefechten im Mai 1915, die auf russischer Seite 150.000 Tote, 680.000 Verwundete und 900.000 Kriegsgefangene mit sich brachten, konnte die deutsche Frontlinie weit nach Osten und Nordosten ins Baltikum vorgeschoben und ein relativ stabiles Besatzungsregime errichtet werden.
Bei Ende des Jahres standen die Verluste auf deutscher Seite bei 100.000. Petrograd bestätigte offiziell eine Zahl von 530.000 Gefallenen und Verwundeten. Darüber hinaus muss man sich die logistischen Probleme vorstellen, die die insgesamt 2 Millionen Kriegsgefangenen bereiteten, die man schon im Winter 1914/15 auf beiden Seiten gemacht hatte und die jetzt versorgt werden mussten.
Das Jahr 1915 zeigte, wie sich die Totalisierung des Krieges allein an den Fronten beschleunigt hatte. Mit dem Übertritt Roms in das Lager der Alliierten begann jetzt auch der Kampf in den Alpen. Mitte Juni 1915 hatten die Italiener unter General Luigi Cadorna am Isonzo an die 460.000 Mann zusammengezogen. In den folgenden Wochen kam es dort zu erbitterten Gefechten, in denen die Italiener bis zum August 57.000 Mann verloren. Die Zahl der Vermissten und Gefangenen belief sich auf 200.000. Nach zwei weiteren Schlachten am Isonzo waren beide Seiten so erschöpft, dass auch dort der Stellungskrieg begann. Derweil kam es weiter im Norden in Galizien zu erneuten Problemen. Trotz der horrenden Verluste des Vorjahres besaßen die Russen ein so großes Rekrutenpotenzial, dass sie immer wieder frische Truppen an ihre galizische Westgrenze werfen konnten. Obwohl die russischen Bauern-Soldaten oft nicht einmal ein funktionierendes Gewehr in der Hand hatten, waren die österreichisch-ungarischen Verluste des Jahres 1915 für Generalstabschef Conrad deprimierend: 2,1 Millionen, von denen an die 770.000 dem Gegner als Kriegsgefangene in die Hände fielen.
Auch 1916 wogten die Kämpfe in Wolhynien und Galizien hin und her – ein Bewegungskrieg, dessen Verlustziffern kaum weniger erschreckend waren als die des Grabenkriegs in Frankreich. Das gilt besonders für die große Offensive, die Brussilow im Juni begann und die die Habsburger erneut in Bedrängnis brachte. Nach neueren Schätzungen verlor Wien damals weitere 750.000 Mann, von denen die Hälfte in Kriegsgefangenschaft geriet.
Es ist nicht schwer, sich auszumalen, wie erschütternd das Hin und Her des Ostkrieges auf die Moral der Soldaten wirkte. Die Fehler, die Inkompetenz und auch die Korruptheit ihrer Generäle blieben ihnen nicht verborgen. Ihr Leben, ob beim Vormarsch oder auf dem Rückzug, war infolge schlechter Versorgung so miserabel wie das derjenigen, die im Westen angespannt in den nassen Gräben und Unterständen hockten. Hinzu
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