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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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Nymphe mit einem grünen Gesicht hakte sich bei mir ein. Es war meine grüne Nymphe, aber sie merkte nicht, daß ich ihr Schwarzer Ritter gewesen war.
    „Hallo, Blättchen“, sagte ich.
    „Ich bin eine Dryade aus den heiligen Höhen und Grotten“, sagte sie.
    „Ich bin der Kleine John von der Tollen Truppe“, sagte ich.
    „Komm mit mir in meine heilige Höhle“, sagte sie. „Und wenn du sie wieder verläßt, wirst du glauben, daß inzwischen zehn Jahre vergangen sind. Du wirst ein anderer Mensch sein – in einer veränderten Welt.“
    Mein Armbandsender versetzte mir Schläge. „Da muß ich erst Robin Hood fragen, ob ich für zehn Jahre aussetzen kann.“ Ich hielt den Sender an mein Ohr. „Befehle, Sir?“
    „Achten Sie auf öffentliche Bekanntmachungen, George. Ich glaube, wir haben alles wieder hingebogen“, sagte Judd Oslos Stimme, die ziemlich leise war.
    „Robin Hood gibt ein öffentliches Statement ab.“ Ich nahm sie bei der Hand, und wir gingen an den kleinen Bildschirm, der in Eingangsnähe stand.
    Das Bild zeigte Akbar Hisham. Er trug ein korrekt sitzendes Araberkostüm und sah grimmig aus. „Hier spricht Akbar Hisham von Arabisch-Jordanien. Ich möchte der Azteken-Kommune meinen Dank dafür aussprechen, daß sie mir die Möglichkeit gegeben hat, als gefangener König an einem äußerst interessanten historischen Ritual teilzunehmen. Es tut mir leid, daß meine Abwesenheit unter meinen Freunden zu Besorgnis geführt hat, aber aufgrund von Umständen, die außerhalb meines Einflusses lagen – und die mit dem Realismus des Rituals zu tun haben –, war ich nicht dazu in der Lage, während der Vorbereitungen der Opferzeremonie mit irgend jemandem darüber zu sprechen. Es war eine sehr interessante Erfahrung, und ich hoffe, daß die Übertragung allen gefallen hat.“
    Er starrte noch einen Augenblick in die Kamera, wobei er sich völlig unter Kontrolle hatte und seine Züge nichts verrieten, dann drehte er sich abrupt um und verschwand aus dem Blickfeld.
    Beim Erscheinen von Akbar Hishams Gesicht hatte jemand hinter mir einen überraschten Ruf ausgestoßen. Als der Mann seine Erklärung beendete, registrierte ich eine enttäuschte Vibration und das Nachlassen des Interesses. Ich wandte mich um und sah den Frustrierten dastehen. Er zuckte die Achseln, sah mich kurz an, murmelte etwas auf arabisch und schlenderte davon. Da Akbar Hisham offensichtlich gar nicht entführt worden war, stand George Sanford auch nicht mehr auf der Racheliste der Araber. Ich war überrascht. An sich hatte ich damit gerechnet, daß der Mann, der mich umbringen wollte, ein Azteke sein mußte.
    Meine grüne Nymphe entzog mir ihre Hand. „Ich mag keine Leute, die nur rumstehen und in die Glotze gucken.“
    „Da hast du recht. Robin Hood hat keine Ahnung.“ Ich nahm wieder ihre Hand und küßte sie. „Was hast du für heute abend vor? Komm, ich lade dich zum Essen ein.“ Die Luft war voller guter Gerüche; es duftete nach selbstgebackenem Kuchen, nach Brot und gebratenem Fleisch.
    Sie wich zurück. „Ich habe heute abend eine Verabredung mit König Tod. Er ist der schwarze Dämon, der über den Bildschirm geflogen ist. Ich gehe mit ihm. Er würde dich mit einem Haps auffressen.“ Sie sagte das ernsthaft und prahlerisch; dann sah sie, wie groß ich war, und begann zu zweifeln.
    „Ich habe deinen König Tod gerade bei einem fairen Luftkampf zur Schnecke gemacht“, sagte ich. „Ich habe dich also von ihm gewonnen, was nur Rechtens ist. Komm mit mir, dann gibt’s geröstete Ente, Meeresfrüchte, Safranreis, Mondfarn und Maiskolben, und ehe du mit dem Essen fertig bist, wirst du fett sein und glauben, zehn Jahre seien vergangen.“
    Sie lachte, schloß mich in ihre weichen, grünen Arme, und ich glaube, sie erkannte mich sogar. Dann ließen wir uns von der Menge in das helle Sonnenlicht hinaustreiben und folgten den leckeren Essensgerüchen.
    An sich wollte ich in ein Samurai-Restaurant gehen, aber die Essensdüfte und die Musik führten dazu, daß wir durch offene Tore gingen, die sonst für Außenstehende verschlossen waren. Wir probierten fremdartige Nahrung, spielten seltsam archaische Spiele und nahmen an Ritualen der rekonstruierten Vergangenheit teil. Einmal wurden wir in einen Ritus hineingezogen, bei dem man versuchte, einen Maibaum zu umtanzen, ein andermal sahen wir einen Gladiatorenwettkampf im Yankee-Stadion.
    In dunkler Nacht kehrten wir zur Mittelalter-Kommune zurück. Die Lagerfeuer brannten schon,

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