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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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lang kam ich mir vor wie in einem Käfig. Der Himmel verfinsterte sich.
    „Ich hab’ was für dich“, sagte die volltönende Stimme des Gurus. Die Dunkelheit zog sich zurück. Ich nahm das, was der Mann mir reichte. Es war nur ein Vierteldollar. Das Befühlen der Münze deprimierte mich.
    „Nein, danke“, sagte ich. „Ich brauche es nicht.“ Ich wollte ihm die Münze zurückgeben.
    „Behalte es“, sagte Guru Adam. „Ich kann ein wenig in die Zukunft sehen. Wenn du in zwei Wochen keinen Vierteldollar hast, wirst du möglicherweise sterben.“
    „Wie?“ fragte ich. „Warum?“
    „Kann ich nicht sagen.“ Er meinte damit nicht, daß er es nicht wußte. Aber es hatte keinen Sinn, ihn noch einmal zu fragen. Ich hielt ihm die Münze hin.
    „Nein. Ich brauche das Geld nicht, Guru. Ich bin ein Glückspilz.“
    „Wie kommst du darauf, daß du ein Glückspilz bist, George?“ Der Guru studierte interessiert mein Gesicht.
    „Ich bin gesund und habe einen Haufen Freunde.“ Ich legte die Münze auf den Boden.
    „Das hat mit Glück nichts zu tun, George. Nimm die Münze mit.“
    „Ich brauche sie nicht. Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft, Guru.“
    Der Mann lächelte. „Bitte“, sagte er.
    Ich nahm den Vierteldollar an mich.
    „Kleb ihn dir an den Leib und vergiß, daß du ihn hast“, bat er mich. „Bitte!“
    Ich ging ins Bad, fand den Erste-Hilfe-Kasten und befestigte den Vierteldollar mit zwei gekreuzten Klebestreifen an meinem Bein.
    Als ich hinausging, kam ich mir wie ein Tölpel vor und war davon überzeugt, daß der Guru sich irrte. Die Zukunft sah gut aus. Ich war ein Glückspilz.
    Es war ein herrlicher, sonnenbeschienener Morgen, der lange, kühle Schatten warf.
    Am Van Cortland-Park stieg ich aus einem Gleitsessel, sprang von der Haltestation und ging in südlicher Richtung durch einen Tunnel. Dabei hielt ich nach einem Fußgängerweg Ausschau, der unter der Erde tief in den Park hineinführte, in dem ich Larry wiedergefunden hatte.
    Der Tunnel war nicht mehr da. Dort, wo einst der Ausstieg gewesen war, befand sich nur noch eine weißgeflieste Wand.
    Ich klopfte gegen die Mauer. Es klang hohl. Es war eine Imitation aus Plastikkacheln und Sperrholz. Ich grinste. Wollte Larry den ganzen Tunnel?
    Nur wenige Leute würden den Weg vermissen. Niemand würde auf die Idee kommen nachzufragen, warum die Behörden den Tunnel gesperrt hatten.
    Ich ging nach oben und begab mich über einen sich dahinschlängelnden Pfad in das Parkdickicht hinein.
    Eine von Geländer zu Geländer reichende Kette sperrte die Treppe ab, und ein offiziell aussehendes Schild teilte mit: STÄDTISCHES EIGENTUM – KEIN ZUTRITT.
    Ich stieg über die Kette hinweg und ging die Stufen hinunter. Nachdem ich die Hälfte des Weges hinter mich gebracht hatte, kam ich an eine Zementwand. Wenn man eine Sperrholzwand mit Zement verputzt, sieht sie eben aus wie eine echte. Ich schob die Finger hinter einen Rand der Mauer und schob sie beiseite.
     
    Inmitten einer gemischten Menschengruppe, die um Mitternacht irgendwohin unterwegs war, fuhren wir mit Gleitsesseln in die Stadt. Die Stimmen und Gesichter, die uns umgaben, halfen uns dabei, unsere Stimmen und Gesichter vor wachsamen Polizisten zu verbergen, die nach einer Bande Ausschau hielten.
    Ich fühlte mich nicht wohl. „Werden wir irgend etwas Übles machen, Larry?“
    „So schlimm ist es auch nicht, Gorilla. Wir machen ein paar Kleinigkeiten kaputt und schreiben ein paar Parolen, und ich werde in den Computer steigen und uns ein paar Kreditkarten falschen. Hast du schon vergessen, daß wir dich gestern auf den Monteur des Computergebäudes eingestimmt haben und du uns eine Karte gezeichnet und die Richtung angegeben hast, wie wir die Alarmzonen überwinden?“
    „Und wo bleibt mein Honorar, Larry?“
    „Okay, Gorilla. Aber ich bin jetzt nicht in der Stimmung, um einen Geschichtsvortrag zu halten. Ich plane meinen nächsten Schachzug. Erzähl mir was über Güte und Friedfertigkeit: Das ist deine Bezahlung.“
    In der Stadtmitte wurden die Sessel langsamer. Ich suchte nach Worten. „Was du da über Geschichte gesagt hast …“ sagte ich. „Das sind doch nur Worte. Vielleicht haben die Dinge ja schlecht gestanden, und vielleicht hast du ja auch recht, aber diese Leute hier …“ Als die Sessel langsamer wurden, deutete ich zaghaft mit der Hand auf eine lachende und unter Drogen stehende, vorbeifahrende Gruppe. „Diese Menschen sind echt; sie leben mitten in der Geschichte,

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