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Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
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gelähmt.
    Ich atmete nicht.
    Konnte ein Karatekämpfer einem die Atmungsorgane lähmen? Was hatte der Ausbilder gesagt? Meine Lungen zogen sich zusammen, versuchten mehr Luft zu bekommen, aber sie nahmen nichts auf. Sie mußten mich mit einem Knüppel auf den Solar plexus getroffen haben. Aber wieso hatte ich den Knüppel nicht gesehen? Aus dem purpurnen Nebel wurden kleine, schwarze Punkte. Ich konnte nichts sehen.
    „Was hat er uns denn sagen wollen?“ sagte die Stimme eines Burschen.
    „Frag ihn doch.“
    „Er kann jetzt nicht antworten, du Depp. Er kann nicht mal mehr grunzen. Wir müssen abwarten.“
    „Ich kann warten“, sagte die Stimme eines Jungen, der eine Fahrradkette in der Hand hielt. Ich hörte die Kette klirren und gegen etwas schlagen und fragte mich, ob sie mich getroffen hatte. Mein Körper registrierte gar nichts. Ihn verlangte nur verzweifelt nach Luft.
    „Du wirst nicht noch mal in unserem Gebiet rumlaufen“, sagte jemand. „Wir bemühen uns nur, dir Respekt einzubläuen. Von nun an wirst du auf den öffentlichen Gehwegen bleiben, anstatt in die Territorien anderer Leute einzudringen. Es sei denn, man hat dich eingeladen.“ Wieder klirrte die Kette und traf etwas.
    Ich versuchte zu atmen, aber diese Anstrengung führte nur dazu, daß sich mein Brustkorb noch mehr verengte.
    Es ist eine schreckliche Sache, wenn die eigene Lunge gegen einen arbeitet. Der Knoten, der sie umfangen hielt, löste sich aber kurz darauf wieder auf. Rasselnd schnappte ich nach der kühlen Luft, atmete wieder und wieder ein. Mit der Luft kamen Wellen von Licht, vertrieben die Blindheit und ließen mich wieder Arme und Beine fühlen. Ich gab meine zusammengekrümmte Position auf, legte mich auf den Rücken, schnappte nach Luft und lauschte den Geräuschen, die rings um mich zu hören waren.
    In der Ferne summte der Helikoptermotor. Der Pilot hört zu, dachte ich, aber er hat keine Ahnung, daß ich in Schwierigkeiten stecke. Ich vernahm ein Klicken und hörte ein Zischen, als strenge sich jemand ungeheuer an. Ich rollte mich abrupt zur Seite und verdeckte mein Gesicht. Die Kette traf dort auf den Boden auf, wo ich eben noch gelegen hatte. Ich hockte mich hin und sah mir zum ersten Mal die Gesichter der Halbwüchsigen an, die mich damals zusammengeschlagen und verhöhnt hatten, als ich bei dem Versuch, mich in den berauschten Carl Hodges zu versetzen, in ihrem Gebiet herumgestolpert war. Ich hatte Hodges’ Handlungen nachvollzogen, war mir dessen aber nicht bewußt gewesen. Ich war nicht einmal auf die Idee gekommen, daß sie einen besonderen Grund gehabt hatten, als sie mich verprügelten. Die Gesichter waren die gleichen. Sie waren jung und kalt. Einige von ihnen fragten sich zwar, ob es richtig war, einen Erwachsenen zu verprügeln, aber die Entschlossenheit der anderen gab ihnen Mut. Es waren Halbstarke jeglichen Alters aus allen möglichen Kommunen, aber Kameradschaft und Gutmütigkeit waren ihnen fremd.
    „Ich war auch mal in so ’ner Bande“, sagte ich rasch, um den Helikopter-Piloten auf dem laufenden zu halten. „Ich hab nicht geglaubt, daß ihr mich zusammenschlagen würdet. Ich bin doch nicht hergekommen, um mich verdreschen zu lassen. Ich will nur meine alte Uhr – und euch was erzählen.“
    Ich beendete diesen Satz mit einem schnellen Seitwärtssprung, aber die schwingende Kette folgte mir, traf mich und verpaßte mir ein paar Blutergüsse auf der Brust, den Rippen und den Armen. Der Magnet, der am Ende der Kette hing, traf klirrend auf eins der Kettenglieder. Der Bursche, der die Kette hielt, zog sie fest. Die Metallglieder verwandelten sich in zupackende Zähne, und die Kette verengte sich wie ein Lasso. Ich taumelte, richtete mich auf und stand, gefangen von einer beißenden Eisenkette.
    Ich mußte an mich halten, um nicht die Nerven zu verlieren. „He“, sagte ich, „das ist aber nicht nett.“
    „Sag, was du uns zu sagen hast“, sagte der Blonde.
    „Als ein Freund von mir die Schrammen sah, die ihr mir beim letzten Mal verpaßt habt“, sagte ich, „meinte er, daß ihr wohl was Wichtiges hier versteckt, von dem ihr mich fernhalten wolltet. Er meint, ihr habt den verschwundenen Computermann. Den, der die Brooklyn-Kuppel in die Luft gejagt hat. Auf den hat man ’ne Belohnung ausgesetzt.“
    Eine Schockwelle durchlief die Reihen der mich umstehenden Burschen, aber der Blonde war fix. Ohne seinen Gesichtsausdruck zu verändern, machte er eine befehlende Handbewegung. „Drei Mann

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