Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Esper und die Stadt

Der Esper und die Stadt

Titel: Der Esper und die Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine McLean
Vom Netzwerk:
ge­füllt zu sein. Mei­ne Zun­ge war wie ein aus­ge­dörr­ter Holz­klotz. Die Welt kipp­te zur Sei­te. Ich stell­te mich breit­bei­nig hin, um nicht um­zu­fal­len. „Ich ha­be Durst. Wie hast du das ge­macht? Ich möch­te zur Whi­te-Hor­se-Ta­ver­ne in der Blee­cker Street ge­hen und ei­ne Gal­lo­ne Gin­ger Ale und ei­ne Fla­sche Bier trin­ken.“
    „Du bist mein Kom­paß. Laß uns ge­hen. Ich geb einen aus.“
    Ah­med lief die Sub­way-Stu­fen zur Eighth Ave­nue hin­un­ter bis zu den Ses­sel­glei­sen. Ich folg­te ihm und hielt da­bei die Tü­te mit den süß duf­ten­den Bröt­chen fest wie einen Kof­fer vol­ler schwe­rer Stei­ne. Der Ge­ruch mach­te mich hung­rig und schwach. Ich konn­te zwar im­mer noch ge­hen, aber ich war mir ver­dammt si­cher, daß man mich auf ei­ner Trag­bah­re hier her­aus­ho­len muß­te, wenn Ah­med mich noch ein­mal in die­se dump­fe Stim­mung ver­setz­te.
    Auf den Glei­sen ver­ban­den wir un­se­re Ses­sel, und Ah­med lenk­te sie so lan­ge von Band zu Band, bis wir ei­ne gu­te Ge­schwin­dig­keit er­reicht hat­ten. Die Ses­sel fuh­ren durch die Tun­nels, und wir ka­men an hel­ler­leuch­te­ten Schau­fens­tern vor­bei, hin­ter de­nen hüb­sche Man­ne­quins tanz­ten und al­ler­lei Din­ge zum Kau­fen aus­ge­stellt wa­ren. Sonst sah ich im­mer auf, wenn wir in die Nä­he des Wald­bran­des und der drei­di­men­sio­na­len Bil­der der Was­ser­fal­le vor­bei­ka­men, aber heu­te nicht. Ich saß da, hat­te die Ell­bo­gen auf den Kni­en lie­gen und ließ den Kopf hän­gen. Ah­med mus­ter­te mich be­sorgt. Er run­zel­te die dunklen Au­gen­brau­en, und sei­ne schwar­zen Au­gen be­gut­ach­te­ten mich von oben bis un­ten, als sei ich ein me­di­zi­ni­sches Dia­gramm.
    „Mann, jetzt wür­de ich wirk­lich gern die Selbst­mord-Sta­tis­tik se­hen. Ich brau­che dich nur an­se­hen, dann weiß ich, wie sie aus­sieht.“
    In mir war aber noch ge­nug Le­ben, um mich ver­är­gert zu füh­len. „Ich hab’ mei­ne ei­ge­nen Ge­füh­le, das sind nicht die von ir­gend­ei­nem Häs­chen. Ich bin schon den gan­zen Tag krank ge­we­sen. Ein Vi­rus oder so was.“
    „Ver­dammt noch mal, ka­pierst du es denn nie? Wir müs­sen das Mäd­chen ret­ten, weil es sen­det. Und es sen­det, daß es sich elend fühlt!“
    Ich schau­te auf den Bo­den zwi­schen mei­nen Fü­ßen. „Ei­ne lau­si­ge Be­grün­dung. Warum könnt ihr sie nicht ret­ten, nur weil sie in Schwie­rig­kei­ten ist? Laß sie doch sen­den. Auf der High School ha­ben wir ge­lernt, daß je­der sen­det.“
    „Hör zu …“ Ah­med beug­te sich vor, weil er mir einen Ge­dan­ken er­klä­ren woll­te. Sei­ne Au­gen fin­gen an zu glit­zern, als er in den Bann die­ser Idee ge­riet. „Viel­leicht sen­det sie zu laut. Die Sta­tis­tik-Ab­tei­lung hat al­le Da­ten ab­ge­spult, die Trends und Wel­len ge­mein­schaft­li­chen Han­delns be­tref­fen. Man nimmt an, daß Leu­te, die zu laut sen­den, Ver­ur­sa­cher sol­cher Mas­sen­ak­tio­nen sind.“
    „Krieg’ ich nicht rein, Ah­med.“
    „Ich mei­ne, wenn man fest­stellt, daß vie­le Leu­te an ei­nem wol­ki­gen Tag nach Co­ney Is­land raus­fah­ren und nicht ge­nü­gend U-Bah­nen fah­ren, kommt es zu ei­nem Ver­kehrs­stau. Man ver­gleicht die­sen Tag dann mit an­de­ren wol­ki­gen Ta­gen, an de­nen die glei­chen Tem­pe­ra­tu­ren herrsch­ten und ver­sucht raus­zu­krie­gen, was da­für ver­ant­wort­lich ist. Manch­mal ist es ein Be­triebs­aus­flug, aber manch­mal ist es auch ein ein­zel­ner Mensch, der an den Strand geht, und tau­send an­de­re Leu­te aus der gan­zen Stadt, Leu­te, die ihn nicht ein­mal ken­nen, las­sen sich plötz­lich ent­schul­di­gen, ver­schie­ben Ter­mi­ne und ge­hen eben­falls an den Strand. Manch­mal kom­men sie zur glei­chen Zeit dort an, ver­stop­fen die U-Bah­nen für ei­ne Stun­de und ge­ben den Leu­ten von der Ver­kehrs­kon­trol­le ei­ne har­te Nuß zu knacken.“
    „Geht es um einen Klub?“ Ich gab mir al­le Mü­he her­aus­zu­fin­den, was er mein­te, aber ich ver­stand ein­fach nicht, was das mit­ein­an­der zu tun hat­te.
    „Nein“, sag­te Ah­med. „Die Leu­te ken­nen sich nicht mal. Man hat das über­prüft. Die Ver­kehrs­ex­per­ten müs­sen aber im

Weitere Kostenlose Bücher